Und was hat das alles mit Dylan zu tun? Alan Poseners merkwürdiges Buch “Shot Of Love”

von Thomas Waldherr

Ein neues Dylan-Buch auf Deutsch. Das muss gewürdigt werden und so ließ ich mir das Werk vom Verlag schicken. Ich hätte es nicht tun sollen. Denn selten hat mich Buch über Dylan so übellaunig gemacht wie Alan Poseners „Shot Of Love. Fünfzig Interpretationen bekannter und weniger bekannter Songs von Bob Dylan“.

Das Problem dieses Buches ist die Haltung des Autors. So schreibt der Autor in den einleitenden Worten, dass er Bob Dylan nach der Beschäftigung mit seinen Songs noch größer empfinde als vorher. Doch beim Lesen des Buches finden wir das nicht wirklich wieder. Ja, dass Dylan ein guter Songwriter ist, lesen wir auch in diesem Buch. Doch vor allem lesen wir von Poseners Auseinandersetzung mit seiner eigenen Geschichte und der Geschichte der bundesdeutschen Linken, die ihm als Ausgangspunkt für seine Dylan-Kritik dient.

Alan Posener wird hier als ehemaliger Maoist vorgestellt, der dann Lehrer und Journalist wurde. Und später aus „Überzeugung“ zur „Welt“ ging. Dem seit jeder besonders konservativen Flaggschiff des Springer-Verlages. Dieser Posener war auch einmal Teil der „Achse des Guten“ von Hendrik M. Broder. Auch so einem ehemaligen besonders Linken, der als spät Konvertierter besonders hundertprozentig der neuen reinen Lehre folgen muss. Die „Achse des Guten“ wandelte sich im Lauf der Jahre von einem neoliberalen dem kapitalistischen Amerika freundlich gesonnenen Blog zu einem islamophoben Blog, der heute auf der Seite der neuen politischen Rechten steht. Posener wurde bereits 2009 aus der Achse entfernt, weil er ein anderes Verständnis von Antisemitismus und Islamophobie hatte. Das wenigstens gibt einen Pluspunkt. Es bleibt der einzige, denn Poseners Problem mit seiner eigenen Biographie – immer zwischen Entschuldigung und Selbstentlarvung schwankend – wirkt sich in diesem Buch leider zum Verdruss des Lesers auf Poseners Dylan-Interpretationen aus.

Und hier geht es wohlgemerkt nicht um Kritik am Denken oder Empfinden Dylans, der Schreiber dieser Zeilen ist keiner, der alles toll findet, was der Meister so gemacht hat. Poseners Expertisen aber nerven aufgrund ihrer ständigen aufgeregten Rückwärtsbetrachtung. „Like A Rolling Stone“ ist Posener unangenehm und er gibt vor weder Adorno noch Joan Baez zu mögen. Bei „Senor“ erzählt er uns von der Linken in West-Berlin und ihrer Liebe zum Italo-Western und zieht daraus eine direkte Verbindung zum RAF-Terror. Und spricht von den „Post 68er-Irren“.

Völlig verquer wird es dann bei „Murder Most Foul“. Da wirft er Dylan vor, als junger Mann Kennedy-kritisch gewesen zu sein und nun das hohe Lied auf den ermordeten US-Präsidenten zu singen. Ausgerechnet der Konvertit Posener wirft Dylan die Meinungsänderung vor. Und erteilt jeglicher Theorie, dass der Kennedy-Mord anders verlaufen sei, wie die Behörden bis heute behaupten, eine Absage, in dem er Oliver Stones Kennedy-Film disst und versteigt sich noch in eine besondere Art von Geschichtsdeutung: Kennedy musste sterben, damit Amerika besser wurde. Ohne darüber nachzudenken, wie Amerika mit Kennedy hätte werden können. Und so geht es munter weiter: „The Times They Are A-Changin‘ wird als unkonkret zerrissen und auch „Highway 61 Revisited“ dient ihm nur als Rahmen, um erneut über die Linke und Dylan zu richten.

Posener tut dies alles mit dem Sound der Selbstgerechtigkeit. Denn er ist ja dem Irrsinn der Linken entflohen. Dass seine Argumentation dabei stets scharfzüngig, rhetorisch geschickt und absolut und niemals zweifelnd oder ambivalent ist, daran zeigt sich der ehemalige bestens geschulte maoistische Kader.

Doch zurück zu Dylan. Nur wenige Songs werden wirklich positiv besprochen, so wie „I’ll Be Your Baby Tonight“. Dafür ist Dylan an vielen anderen Stellen im Buch „gemein“ oder „misogyn“, seine Songs unkonkret. Sorry, seit Weberman hat es keine solche negative, selbstgerechte, eindimensionale und absolute Dylanologie mehr gegeben. Dylan muss für alles herhalten, was für Posner in der Geschichte der Linken und seiner eigenen so schief gegangen ist.

Fazit: Wer sich schon immer mal sich von einem selbstgerechten Furor die Zeit fressen lassen wollte, der sollte dieses Buch lesen. Alle anderen finden sicher viel bessere Arten der Beschäftigung mit den Songs von Bob Dylan.

Alan Posener, Shot Of Love, Lukas-Verlag, 25 Euro.

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