Singer-Songwriter Daniel Kahn singt auf seinem aktuellen Album „Word Beggar“ auch zwei Dylan-Songs auf Jiddisch
von Thomas Waldherr
Er ist US-Amerikaner, 1978 in Detroit als Sohn jüdischer Eltern geboren und aufgewachsen, lebte später in New Orleans und New York bis er schließlich 2005 nach Deutschland übersiedelte: Der Singer-Songwriter, Komponist und Schauspieler Daniel Kahn. Er lebte erst lange in Berlin und wohnt seit letztem Jahr in Hamburg. Jiddisch hat er erst in Berlin gelernt, zusammen mit seiner Band „The Painted Bird“ und später auch in anderen Projekten setzt er sich seitdem intensiv mit der säkulären, radikal-progressiven jiddischen Kultur auseinander. Sein aktuelles Album „Word Beggar“ ist ein Solo-Werk auf dem er jiddische Lieder zu Themen wie Befreiung und Migration singt. Mit dabei: Jiddische Fassungen von Bob Dylans „I Shall Be Released“ und „I Pity The Poor Immigrant“. Grund genug für „Key West“, sich mit Daniel über diese Songs und seine Beziehung zu Dylan zu unterhalten.
Ich erreiche Daniel Kahn sonntagnachmittags am Telefon und wir unterhalten uns über Bob Dylan, die beiden Songs und seine Version von Cohens „Hallelujah“.
Key West: Daniel, wie kamst Du auf die Idee, Bob Dylan-Songs ins Jiddische zu übertragen und warum diese beiden Songs?
Daniel Kahn: Ich bin wie eigentlich jeder Songwriter natürlich von Dylan geprägt, und seit über 30 Jahren Dylan-Fan. Doch beide Songs sind nicht frei heraus aus mir entstanden. Eine befreundete Musikerin aus New York, Joanne Borts, bat mich vor ein paar Jahren für sie „I Shall Be Released“ ins Jiddische zu übersetzen. Das passte, weil „Befreiung“ für das jüdische Alltagsleben immer ein wichtiges Thema war und ist. Und „I Pity The Poor Immigrant“ habe ich nach einem Abend in der Carnegie Hall zum Thema „Migration“ übersetzt. Und zwar gerade weil es komplex ist, und das Thema Migration nicht eindeutig und eindimensional behandelt. Ehrlich gesagt fällt es mir immer noch schwer, den Song zu verstehen (lacht). Auf mein neues Album sind die beiden Songs dann gekommen, weil die Themen „Befreiung“ und „Migration“ eben für das jiddische Alltagleben zwei existentielle Themen sind.
Key West: Welchen Einfluss hatte oder hat Dylan auf Dich als Musiker?
Daniel Kahn: Ich bin in der Folk-Szene von Detroit und Michigan groß geworden, die wiederum viele Berührungspunkte mit den „Wobblies“ hatte, den „Industrial Workers Of The World“. Noch heute habe ich einige rote Songbücher der Wobblies. Da habe ich natürlich ganz früh die Songs von Pete Seeger, Woody Guthrie und eben auch Bob Dylan kennengelernt. Theodore Bikel, der ja ein Mentor des Folk Revival und des Newport Folk Festivals war, bei denen Dylan eine große Rolle spielte, war später auch mein Mentor in der jiddischen Szene. Und als Songwriter ist Dylan natürlich immer ein Vorbild.

Key West: Wie entscheidend für sein Werk siehst Du den jüdischen Hintergrund von Bob Dylan?
Daniel Kahn: Solche Fragen interessieren mich ehrlich gesagt nicht. Ich weiß nicht, wie sich sein jüdisch sein auf sein Songwriting ausgewirkt hat. Mag sein, dass die Erfahrung der Migration seiner Familie einen Einfluss auf ihn gehabt hat. Aber darüber mache ich mir keine großen Gedanken. Bob Dylan ist für mich ein großer Songwriter, dass er jüdischer Herkunft ist, ist für mich zweitrangig, das definiert ihn nicht in Gänze. Das gleiche gilt für Leonard Cohen oder Kurt Tucholsky und viele andere jüdische Künstler.
Key West: Sag uns bitte etwas zu Deiner besonderen Version von Leonard Cohens „Hallelujah“. Das ist ja ähnlich totgenudelt worden wie Dylans „Blowin‘ In The Wind“.
Daniel Kahn: Ja, der Song ist trivialisiert worden und voller Klischees behaftet zigmal nachgespielt worden. Sogar Cohen selbst hatte zeitweise deswegen eine Aversion gegen den Song entwickelt. Aber es ist so ein guter Song, voller krasser Konflikte. Aber auch diese Übersetzung ist eine Auftragsarbeit: ein Chor hatte mich darum gebeten. Meine Fassung orientiert sich an den Konflikten und verzichtet fast gänzlich auf das „Hallelujah“ und trotzdem möchte das Publikum bei Konzerten gerne mitsingen und versucht dies auch (lacht).
Key West: Welche weiteren Dylan-Songs würden sich für eine jiddische Bearbeitung anbieten?
Daniel Kahn: Ich könnte mir gut vorstellen, „Father Of Night, Father Of Day“ ins Jiddische zu übertragen. Das könnte funktionieren.
Key West: Warum dies?
Daniel Kahn: Das Lied funktioniert schon etwas liturgisch, das könnte sehr gut auf der alten Muttersprache passen. Es ist auch eins seiner krypto-christlichen Lieder. Ich finde es etwas subversiv und spielerisch, das dann in einen ausdrücklich jüdischen Kontext zu setzen.