Bob Dylan auf Deutsch

60 Jahre deutsche Dylan-Cover

von Thomas Waldherr

Sein 80. Geburtstag ist ein guter Anlass, um sich wieder einmal mit „Dylan auf Deutsch“ zu beschäftigen. Sechs Jahrzehnte Bob Dylan sind auch sechs Jahrzehnte deutsche Coverversionen. Machen wir dies doch einfach mittels einer kleinen Zeitreise. Eine Vorstellung der für mich wichtigsten und relevantesten deutschen Dylan-Coverversionen. Also einsteigen und anschnallen bitte!

1960er

Den Anfang von Dylan auf Deutsch machten Marlene Dietrich sowie Christopher & Michael. Während die erstere weiterhin Legendenstatus hat, sind die beiden anderen leider mittlerweile vergessen.

Marlenes deutsche Fassung von „Blowin‘ In The Wind“ – „Die Antwort, mein Freund, weiß ganz allein der Wind“ – erschien in Deutschland als Nachfolger ihres erfolgreichen „Sag mir wo die Blumen sind“ von 1962. Die Dietrich griff die Musik der kritischen amerikanischen Jugend auf und transportierte sie nach Europa. Der Autor der deutschen Übersetzung – Hans Bradtke- hat übrigens auch so unvergängliche Liedperlen wie „Pigalle“ oder „Die Zuckerpuppe von der Bauchtanzgruppe“ geschrieben, die zu der Zeit als Swing-Schlager für Bill Ramsey auf den Leib geschnitten wurden. Die Songs für die Dietrich waren dagegen ernste und getragene Chansons Denn noch waren Folk und Blues noch nicht so richtig in Deutschland angekommen.

Cover von Marlene Dietrichs „Die Antwort weiß ganz allein der Wind“ (Quelle: AMIGA)

Das hörte man auch bei den beiden Frankfurter Liedermachern Christopher & Michael. Die haben auch Dylan-Songs auf Deutsch gesungen, aber das war alles noch voller Pathetik, noch fehlten Blues, Beatpoesie und die entsprechend lässige Haltung in Deutschland. Die beiden wirkten eher wie französische Chanson-Sänger, haben aber u.a. Don’t Think Twice („Denk nicht dran“) und „The Times They Are A-Changin“ („Kommt her Ihr Leut“) eingedeutscht und sich auf dem Höhepunkt ihres Erfolges 1968 schon wieder aufgelöst. Aber sie haben 1966 auf dem Ostermarsch in Frankfurt zusammen mit Joan Baez gespielt.

1970er

Die Schlagersängerin Juliane Werding fällt Anfang der 1970er Jahre mit der Coverversion von „The Night They Drove Old Dixie Down“ auf. „Der Tag als Conny Kramer starb heißt ihre Fassung des Songs mit dem „The Band“ und Joan Baez großen Erfolg hatten. Was lag da näher, als danach auch „Die Antwort, mein Freund, weiß ganz allein der Wind“ in ein zeitgeistiges Schlager-Kostüm zu kleiden. Nicht unbedingt erinnernswert.

Zwei Acts aber gehören hier unbedingt genannt, weil sie nämlich zeigen, wie gut Dylan funktioniert, wenn man ihn frisch und ohne falschen Respekt auf sein eigenes Umfeld, Milieu und Idiom überträgt. Sowohl der Wiener Wolfgang Ambros (Album „Wie im Schlaf“), als auch die hessische Bernies Autobahn Band (Song „Wenn es Nacht ist in der Stadt“) haben hier bahnbrechendes geleistet. Ambros, weil er Dylans boshafte Lässigkeit ins „g’schlamperte“, stets etwas morbide Weanerisch überführt hat und BAB-Songwriter Bernie Conrads, weil er das Lebensgefühl der alternativen Szene hier als Anknüpfungspunkt für Dylans Lyrik kongenial nutzt.

Bernies Autobahn Bands Cover zu „Wenn es Nacht ist in der Stadt“ (1978) (Metronome Records)

Doch den Anfang mit Dylan auf Deutsch im Rock-Idiom macht 1974 Stefan Waggershausen. Er macht aus „Desolation Row“ die „Traumtanzzeit“ und aus „A Hard Rain’s A-Gonna Fall“ zu „Irgendwann fällt der Regen“. Waggershausen, ein Meister des deutschen Soft-Rocks oder Rock-Schlagers gelingt es, Dylans Lyrik ins Deutsche zu überführen, ohne sie dabei ihrer Bildhaftigkeit zu berauben oder an ihr zu scheitern und ins peinliche abzugleiten.

Cover von „Lieder von Bob Dylan“ (1978), Wolfgang Ambros (Quelle: Bellaphon Records)

Bereits 1973 sind es der mittlerweile als Kabarettist legendäre Franz Hohler, der mit „Der Liebgott isch derby“ („With God On Our Side“) und „Der einzig wo das weiß“ sowie Polo Hofer mit „Warehuus Blues“ („Just Like A Woman“), die die schwyzerdütsche Dylan-Tradition begründen. Später folgt Tony Vescoli mit einem ganzen Dylan-Cover-Album nach, ehe der mittlerweile leider verstorbene Polo Hofer 2011 zu Dylans Siebzigsten auch endlich sein eigenes Dylan-Album veröffentlicht.

Man sieht, das Folk-, Blues- und Rock-Idiom ist endlich in deutschsprachigen Raum angekommen und Dylan wird besonders für die aufkommende Mundart-Folk-Rock-Szene beliebt, weil die Blues- und Slangsprache sich in Dialekt und Mundart sehr gut überführen lässt.

1980er

Eine echte „Zeitgeist-Perle“ ist Paolas Version von „Mr. Tambourine Man“. 1980, elf Jahre nach Woodstock, erinnert die Sängerin in einer Schlagerversion des Songs an die jetzt im bundesrepublikanischen Hier und Jetzt angekommene Protest- und Hippie-Generation, an deren wilde Zeit. Doch die tragen jetzt Sakko zum Turnschuh und sind Lehrer oder werden bald Minister sein.

Die österreichische Tradition von Dylan-Adaptionen setzt 1981 die Gruppe STS fort. Ihre LP „Gegenlicht“ endet mit „Hey alter Liedersänger“. Doch wo Dylans „Tambourine Man“ lässig-lyrisch war, da sind die Österreicher nur kraftvoll, ihre Version klingt doch verdächtig nach Mittelaltermarkt.

In den 1980ern steigt dann auch einer auf die Karriereleiter, der wie kein anderer deutscher Musiker vor ihm von Bob Dylan beeinflusst ist: Wolfgang Niedecken und seine Gruppe BAP beziehen ihre musikalische Energie aus dem Werk der Stones, der Kinks und von Dylan. Niedecken wird schon mal als Südstadt-Dylan bezeichnet. „Wie ‚Ne Stein“ („Like A Rolling Stone“) erscheint 1982 auf dem Erfolgsalbum „Von Drinne Noh Drusse“. Das Kölsche ist als Sprache absolut Rockmusik-tauglich.

Ende des Jahrzehnts ist es schließlich Georg Ringsgwandl, der auf bayerisch mit „Nix Mitnehma“ eine Version von „Gotta Serve Somebody“ einspielt, die dem so fatalistisch-autoritätsgläubigen Original in seiner Subversivität deutlich überlegen ist.

1990er

Es war die Lichterkettenzeit, als nach den Morden von Mölln und Solingen, sich diese Bewegung sich etwas zu gutmeinend und staatstragend verhielt, während die Asylgesetze verschärft wurden. Der leider viel zu früh verstorbene ebenso geniale wie gnadenlose Satiriker (und Bob Dylan-Fan!) Wiglaf Droste schrieb zu seiner Version „Musse Feife Inne Wind“ im „Neuen Deutschland“: „…abgesehen von diesen und diversen schon zuvor geäußerten Einwänden gegen auf links gestrickten Kitsch, Gratishumanismus und Gesinnungshuberei in Form von Lichterketten oder welchem sonstigen Gewürge auch immer, ist es mir unbegreiflich, warum, wenn man schon dergleichen veranstaltet, dann nicht auch die lagerfeuertaugliche und kerzenkompatible Hymne aller Tugutheinis dieser Welt ertönt, die Internationale der Fortschrittlichkeitsflachpfeiferei, Blowin‘ in the Wind von Bob Dylan, allerdings passend in der von Herrn Gerhard Henschel, Frau Kathrin Passig und mir besorgten Übersetzung ins Pidgindeutsche…“

1995 erst legt die Liedermacher-Legende Hannes Wader, der ja schon immer von Dylan und dem Talking Blues beeinflusst war, sein erstes Bob Dylan-Cover vor. „Nachtfahrt“ ist die deutsche Adaption von „Bob Dylans Dream“. Im gleichen Jahr erfüllt sich Niedecken seinen Traum und nimmt mit „Leopardefell“ ein ganzes Album mit Dylan auf Kölsch auf, „Ich will Dich“ wird zum Radiohit. Alles in allem ein respektabler Versuch, doch allzu oft dein bisschen brav in der Übersetzung der Lyrics, dessen Freigabe durch das Dylan-Lager allerdings auch kein einfacher Prozess gewesen sein soll.

2000er

Zu Beginn des Jahrtausends veröffentlicht Wiglaf Droste dann mit dem Spardosenterzett das Album „Für Immer“. Darauf eine sehr schöne Version von „One Too Mornings“, die diesmal sehr respektvoll und unsatirisch daherkommt.

Und wieder kommt gutes in Sachen „Dylan auf Deutsch“ aus Hessen. Denn mitten aus dem „echten“ Frankfurt, aus dem Gallus treten die „DoubleDylans“ ins Rampenlicht. Mit ihrem Album „RettichRetter“ im Jahr 2007 leisten sie dann etwas bislang nie Dagewesenes: Sie überführen die Dylan’schen Songmotive in einen Gemüsekosmos und damit auf eine Stufe des höheren, doppelbödigen Blödsinns, die bis heute nicht wieder erreicht wurde.

Cover von „RettichRetter“ der DoubleDylan (2007) (Quelle: Fame Music)

Und eine interessante, ausführliche Dylan-Sammlung auf Deutsch (20 Songs) legt dann 2008 auch Ernst Schultz, der Ex-„Ihre-Kinder“-Kopf vor.

2010- heute

2010 veröffentlicht der sich selbst als Hobby-Musiker bezeichnende Musiker Kriemhild aus Nürnberg eine deutsche Version von „License To Kill“, die absolut hörenswert ist. Hier passen Musik, Gesang und deutscher Text richtig gut und die Aussage des Songs ist absolut präsent.

Gut gemeint und getreu übersetzt ist dann 2011 „One More Cup Of Coffee“ in der Version von Nina Hagen. Zusammen mit ihrer mittlerweile ein bisschen nervenden Performance ist „Noch ein Tässchen Kaffee“ aber eher hartes Brot.

Was rauskommt, wenn ein deutscher Rocksänger – (ich meine ja ein Rock-Schlagersänger) sich an dem wieder erstarkten Interesse an Dylan dranhängen will, aber einfach nicht von seinem eingefahrenen deutschen Stadion-Rock mit belanglosen Texten runterkommt, das zeigt Peter Maffays „Gelobtes Land“ von 2014 auf, das überall mit beschwörender Stimme als Coverversion von Dylans „Girl From The North Country“ bezeichnet wurde. Von wegen: Es ist eine Pseudo-Springsteen-Musik mit Maffays bekannten Klischees zwischen Rock-Bombast und Religions-Brimborium. Für mich eine obskure Nummer und eines der fragwürdigsten deutschen „Dylan-Cover“ aller Zeiten.

Auch in diesem Geburtstagsjahr wird das Feld „Dylan auf Deutsch“ vor allem wieder einmal von Wolfgang Niedecken besetzt. Darüber hinaus gibt es eine ganze Reihe von regionalen Dylan-Projekten, die sich der Musik des Meisters mal auf Englisch, mal auf Deutsch annehmen.

Doch oftmals steht Musik, die nicht eins zu eins übersetzen will, der Musik von Dylan viel näher. Denn Dylan ist auf alle Fälle auch deutschen Singer-Songwritern, mögen sie auf Deutsch oder Englisch singen, ein Vorbild. Nennen möchte ich hier beispielsweise Michael Moravek, der seit einigen Jahren wunderbare von Dylan beeinflusste Singer-Songwriter-Musik auf Englisch macht und David Lübke, der seit 2016 Dylan’sche Themen und den Blick auf die Welt in Deutsch hörenswert präsentiert.

Denn merke: Wer keine Konsumware im Labor erstellt, sondern wirklich was zu sagen hat, der kommt an Bob Dylan einfach nicht vorbei. Auch hierzulande.

3 Kommentare

  1. Eine schöne Übersicht; danke. Kleine Korrektur: „Warehuus Blues“ von Rumpelstilz mit Polo Hofer (1973) war eine Adaption von „Just Like Tom Thumb’s Blues“, nicht „Just Like a Woman“

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    • Danke für die Korrektur. Das stimmt natürlich, da habe ich mich wohl beim Schreiben im Eifer des Gefechts vertan. Herzliche Grüße, Thomas Waldherr

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