
von Thomas Waldherr
„All Along The Watchtower“ ist Bob Dylans prophetischer Kommentar zu Trumps MAGA-GAGA-Regime
Als Bob Dylan am 22. Mai diesen Jahren in Spokane, Washington, bei der dortigen Station der Outlaw-Tour mit Willie Nelson sein „All Along The Watchtower“ zum was-weiß-ich-wievielten-mal erklingen lässt, führt er den Song gleich in zweierlei Weise auf neue Ebenen.
Alter Bob und junger Billy
Das offensichtlichere: Dylan schafft einen der seltenen Momente, bei denen andere Musiker des Line-Ups die Ehre haben, bei einem Song mit ihm die Bühne zu teilen. Der 32-jahre alte Billy Strings, der mit der intelligenten Fusion von Bluegrass, Country und Rock ein Massenpublikum erreicht und nachgewiesener Maßen ein großer Dylan-Verehrer ist – eine ganze Reihe von Live-Coverversionen zeugen davon – spielt an diesem Abend eine melodische Gitarre und fügt sich erst tastend in Dylans Band ein, ehe er ganz selbstbewusst kurze Soli und Licks wagt. Dem alten Dylan gefällts und in den Instrumentalteilen des neuen „Watchtower“-Arrangements – mich erinnert es etwas an „Precious Angel“ – beginnen die beiden sich zu umspielen, bis hin zum call und response, wo der eine den anderen fordert. Dylan macht es Spaß, obwohl er sich zum Publikum hin wie immer cool und undurchdringlich gibt. Ein Gefühlsausbruch für seine Verhältnisse, als er sich nach Ende des Songs bei dem jungen Billy bedankt.
All Along The Watchtower – jetzt erst Recht!
Es ist schon eine Art Geschenk an die jüngere Generation, wenn Dylan diesen Song mit Strings teilt. Seine gesungene Kritik an der verwalteten Welt des Spätkapitalismus ist vielleicht aktueller denn je. Denn die Ausweglosigkeit aus Kapitalismus und Fremdbestimmung ist in den Zeiten der Autokraten noch größer geworden. Als man in den 1960er und 1970er Jahren ja noch von schrittweiser Reformierung des Kapitalismus hin zu Wirtschaftsdemokratie und sozialer Gerechtigkeit in einer offenen Gesellschaft träumen konnte, ahnte man nicht wie betoniert Gesellschaft und Politik heutzutage sind. Der Kapitalismus wird weithin als alternativlos angesehen, fremdbestimmtes arbeiten als natürlich eingestuft. Dazu kommen nun autoritäre Tendenzen. Die USA unter Trump wird in Windeseile zur Autokratie. (Sozial-)staatliche Strukturen, Bildungs- und Gesundheitssystem werden zerschlagen, jeder gesellschaftlicher Protest wird kriminalisiert und pathologisiert. Bürgerrechte, Rassen- und Geschlechtergleichheit werden offensiv angegriffen.

Aber auch in die westlichen Demokratien Europas ziehen Autoritarismus und Kulturkampf ein. Von der politischen Kampagne der CDU/CSU gegen NGOs bis hin zur Positionierung in angeblicher Neutralität zum Thema CSD und LGBTQ+ der Bundestagspräsidentin. Und das bei gleichzeitiger immer stärker aufkommender rechter Gewalt gegen die CSD und Pride-Paraden. Währenddessen werfen auch sozialdemokratische Politiker Bürgergeldempfänger der verrohten Volksseele zum Fraß vor, anstatt endlich die starken Gutverdiener, die Vermögenden, die reichen Erben und die Konzerne in die Pflicht zu nehmen.
Gültiger denn je
Wo ist also hier der Ausweg? Wenn nur noch wirtschaftliche Deals zählen und die Superreichen die neuen Prinzen sind und der Rest nur Diener. Umso weniger darf man jetzt noch Lügen erzählen. Es ist zu spät für Lügen: “So let us not talk falsely now, the hour is getting late” könnte sich direkt auf die Leugnung des Klimawandels von Trump und seinen interessierten Geldgebern, die immer noch auf fossile Brennstoffe setzen, beziehen.
Das fast 60 Jahre alte „All Along the Watchtower“ ist das aktuelle Lied zur Lage. Solange der Kapitalismus uneingeschränkt herrscht, solange die Menschen fremdbestimmt sind und es durch die Entwicklung von KI, Niedriglohnsektoren und McJobs immer mehr werden, solange ist Dylan apokalyptische Endzeitanalyse gültig. Gültiger denn je.
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