– Bob Dylan und die Kritik des Trump-Amerika –
von Thomas Waldherr
Das Trump-Inauguration war die Feier der Oligarchen und Milliardäre und ihres verblendeten Fußvolks. Bob Dylan hat die Kritik des Trump-Amerika schon formuliert, als es noch gar nicht da war.

(Quelle: Wikimedia Commons)
Nein, ich habe mir am 20. Januar nicht stundenlang die Feierlichkeiten zur Trump-Inauguration im Fernsehen angeschaut. Ein bisschen Selbstschutz muss schon sein. Ich habe dann aber ein paar Ausschnitte gesehen und vieles gelesen. Es läuft einem kalt den Rücken runter.
Szenen wie aus Gotham City
Wie brav und tapfer die demokratische Senatorin Amy Klobuchar aus Minnesota in ihrer Rede die Demokratie verteidigen wollte und Bob Dylan zitierte („Shelter From The Storm“), während hinter ihr schon die gefräßigen Wölfe Trump und Vance lauerten, um eben mit ihrer Machtergreifung genau diese Demokratie abschaffen zu wollen. Trumps Auftritt vor 20.000 Anhängern in einer riesigen Sporthalle – wir erinnern uns an andere unheilvolle Sportpalast-Reden – sein späterer Säbeltanz, die verdruckst-blöden und devoten Mienen der zu Hofschranzen mutierten Tech-Milliardäre Zuckerberg und Bezos und viel Pomp und Pathetik gipfelten in einer dem Hitlergruß verdächtig ähnlich sehenden Geste von Elon Musk.
Szenen wie aus einem Batman-Film: Die Horrorclowns und die bösen Mächtigen feiern in Gotham City. Doch kein Superheld, der Amerika rettet, ist weit und breit in Sicht. Trump und seine Allianz nutzen Teile der amerikanischen Erzählung und deuten sie um für ihre Zwecke. Aus dem Glücksversprechen in der Verfassung wird das Streben nach materiellem Erfolg um jeden Preis und ohne Moral. Aus dem Exzeptionalismus – kein Land ist so herrlich wie Amerika – wird ein imperialistischer Machtanspruch ohne Grenzen. Der Präsident, der bei Verschwörungsschwurblern sehr angesehen ist, weil er noch nie einen Krieg begonnen hätte, scheut sich nicht, mit militärischer Gewalt gegenüber Kanada, Panama und Grönland zu drohen. Trumps USA soll kein Weltpolizist mehr sein, sondern noch etwas schlimmeres: Ein unberechenbarer Gossenschläger für die eigenen wirtschaftlichen Vorteile.
Sicher waren imperialistische Tendenzen immer auch ein Wesenszug des amerikanischen Machtstrebens. Die Machtausübung im Hinterhof, die versteckten oder weniger versteckten Hintergrundbeteiligungen an den System Changes über viele Jahrzehnte hinweg. Aber da war noch ein idealistischer, demokratischer Überbau in der Politik und im Selbstverständnis, den man beim Wort nehmen und die realen Zustände angreifen konnte. Es gab eine freie Presse und eine Zivilgesellschaft. Kritik war möglich. Siehe Vietnam, Nicaragua und Bushs Krieg gegen den Terror. Trump und Musk arbeiten daran, die liberale Gesellschaft zu zerstören. Damit wäre auch für jede linke Alternative der Weg erst einmal fast unmöglich gemacht.

(Quelle: WIkimedia Commons)
Trump, so war es bei der Inauguration zu sehen und zu hören, sieht sich mittlerweile selbst auf einer von Gott gegebenen Mission. Er phantasiert sich zu einer heilbringenden Politik-Popfigur, die in unserer Wahrnehmung irgendwo zwischen Kaiser Nero, dem Horrorclown Joker und einem James Bond-Schurken angesiedelt ist. Da Musk dies doppelt, zwar weniger die Massen begeistert, aber ungleich größere finanzielle Macht hat, kann dies noch zu Verwerfungen führen. Man darf gespannt sein.
Dylan und Trump
Die einzige konkrete Aussage von Bob Dylan zu Trump stammt aus seinen Chronicles und dreht sich um die Fähigkeit sich in einer eigenen Realität zu bewegen: „Ich meine, wer ist der letzte individuelle Künstler, der Ihnen einfällt – vielleicht Elton John? Ich spreche von Künstlern mit der Willenskraft, sich keiner anderen Realität anzupassen als ihrer eigenen. Patsy Cline und Billy Lee Riley. Platon und Sokrates, Whitman und Emerson. Slim Harpo und Donald Trump. Es ist eine verlorene Kunstform. Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wer es außer mir sonst noch tut.“ Wenn zur „eigenen Realität“ auch die „alternativen Fakten“ zählen, lag Dylan hier wieder einmal richtig. Diese Kraft, in einer eigenen Realität zu leben, kann bei Künstlern großartiges entstehen lassen, bei Trump, dem modernen Nero, führt das in die Diktatur.
Ansonsten hat Dylan sich an den amerikanischen Problemen, die schon bei Reagan angelegt waren – dessen Politik kündigte den New Deal auf und ist ursächlich für die heutigen Zustand der US-amerikanischen Gesellschaft – seine ganze Karriere über abgearbeitet. Ich zitiere mich bezüglich Dylans Reagan-Kritik selbst aus meinem Cowboy Band Blog-Beitrag „Bob Dylan and the President of the United States“ aus dem Juli 2020:
„Man kann Infidels von 1984 durchaus als Dylans Auseinandersetzung mit den Veränderungen in den USA verstehen. In „Jokerman“ kann man Textstellen als Einschätzung von Reagans Ideologie sehen: „Book of Leviticus and Deuteronomy, law of the jungle.“ steht für Regans neoliberales evangelikales Weltbild. „rifleman’s stalking the sick and the lame…Nightsticks and water cannons, tear gas, padlocks, Molotov cocktails and rocks“ sind die Mittel, um die Herrschaft des Neoliberalismus gegen die Proteste zu verteidigen. „Jokerman“ ist nach dieser Lesart der Schauspieler Ronald Reagan, der seine Politik gegen die Armen und Beladenen (oftmals Afroamerikaner) rücksichtslos und ohne Empathie durchzieht. Und in „Sweetheart Like You“ singt Dylan “They say that patriotism is the last refuge to which a scoundrel clings/ steal a little and they throw you in jail/ Steal a lot and then they make you king…”. Bob Dylan ist – man kann es nicht oft genug sagen – kein tagespolitischer Künstler. Aber er hat universelle Werte und ein Verständnis von amerikanischer Geschichte, von griechischer Klassik und Shakespear’schen Tragödien. Und in diesem Kosmos siedelt er „seine Präsidenten“ an. Da bleibt für Trump nur die Rolle des namenlosen Schuftes, der einen Schatten an die Wand wirft und sonst nichts Gutes hinterlässt.“
Neben dem Single-Cover von „False Prophets“ als Hinweis auf Trump, hat der Rough And Rowdy Ways-Song selbst seinen versteckten Trump-Bezug:
Hello stranger
A long goodbye
You ruled the land
But so do I
You lost your mule
You got a poison brain
I’ll marry you to a ball and chain

(Quelle: Columbia Records/SONY)
Und diese „False Prophets“ hat Dylan immer wieder in seinem Werk besungen. Ob „Man Of Peace“ oder „Man In The Long Black Coat“. “Bob Dylan, der wie kein anderer lebender Künstler so stetig an seinem Patchwork-Quilt des idealtypischen Amerikas und seiner populären Mythen näht, kennt diese Figuren natürlich auch bestens und nimmt sie in seinem Werk immer Mal wieder in den Blick“, schrieb ich auf dem Cowboy Band Blog im Februar 2022. In der Realität hießen diese Figuren Homer Rodeheaver (Priester und Songwriter für den Ku-Klux-Klan), Father Coughlin (Antisemit mit 30 Millionen Zuhörern am Radio), Huey Long (Autokratischer Populist als Gouverneur von Lousisiana) oder auch Charles Lindberg. Der Fliegerheld war ein großer Freund des Führers. Filme wie „Die Nacht des Jägers“, „A Face In The Crowd“, „Elmer Gantry“ oder Weißer Terror brachten solche Figuren auf die Leinwand. Unbeabsichtigt folgt Trump auch hier einer amerikanischen Erzählung.
Welches Amerika werden wir in zehn Jahren haben?
Trump und Dylan stammen im Grunde aus derselben Generation. Doch während Trump geprägt wurde durch einen rücksichtslosen, hartherzigen und rassistischen Vater, wuchs Dylan in einem liberalen jüdischen Milieu auf, lebt später in einem linken Boheme-Umfeld. Trump steht für Turbokapitalismus, Big Money und gewinnbringende Deals. Dylan steht für das andere Amerika. Welches Amerika werden wir in 10 Jahren haben? Es ist das neue, gefährliche Amerika, das droht. Die allgemeine Schockstarre muss überwunden werden. Das solidarische, vielfältige und friedliche Amerika muss sich reorganisieren und Widerstand leisten. Die Widerworte der Bischöfin gegen Trump, die Klagen von gut 20 von den Demokraten regierten Staaten gegen das Dekret, das die US-Staatsangehörigkeit durch Geburt in dem Land („birthright citizenship“) für bestimmte Gruppen einzuschränken soll, können nur der Anfang sein.
[…] Live in den Medien: Die faschistische Machtergreifung in den USA […]
LikeLike