Peetie Wheatstraw, the Devil’s Son-in-Law

von Richard Limbert

Einleitung:

Peetie Wheatstraw. Wer sich mit dem Pre-war Country Blues der 30er Jahre beschäftigt, kennt Charley Patton, Blind Lemon Jefferson, Skip James und Robert Johnson. Jeder, der sich etwas besser mit dem Thema auskennt weiß, dass das einem Narrativ folgt, das der weißen, männlichen Babyboomer-Generation geschuldet ist: obskure, mysteriöse, gitarristisch vielfältige Musiker sollten es sein, die seltene Diamanten im Erdhaufen darstellen. Da ist Peetie Wheatstraw ein selten genannter Name. Wheatstraw war ein kommerziell recht erfolgreicher Bluesmusiker aus St. Louis, der sich eine abenteuerliche Persona als Schwiegersohn des Teufels und oberster Höllen-Sheriff geschaffen hat. Seine Songs wurden selten von Clapton und Co gecovert.

Bob Dylan hatte ein ausgesprochen breites Wissen über Country Blues, es gibt kaum einen Künstler oder Künstlerin, zu dem/der er sich nicht schon geäußert hätte. Völlig verklatscht am 27.5.1966 sitzt Dylan mit John Lennon in einem Taxi in London. Die Kamera läuft. Er sagt zum Fahrer: „Tom, I think I’m going to turn you into Ronald Coleman, Reginald Young, Peetie Wheatstraw or Sleepy John Estes. Or Robert Johnson. Go to Medical School like J. Carroll Nash.“

Im Herbst 2016 gestaltete Bob Dylan eine Ausstellung mit seinen Landschaftsmalereien in London. Zur musikalischen Untermalung gibt es das Zitat

„If there is a soundtrack to this compilation of paintings, I would say it could be recordings by Peetie Wheatstraw in some places, Charlie Parker in others, Clifford Brown or Blind Lemon, maybe Guitar Slim—artists that make us a lot bigger when listening to them. It would have to be that way. Absolutely.“.

Wer ist dieser Peetie, der uns größer macht?

Warum behandle ich Peetie Wheatraw?

Ich habe als Archivar im Lippmann+Rau-Musikarchiv vor kurzem das Buch von 1971 Peetie Wheatstraw, the Devil’s Son-in-Law von Paul Garon in die Hand bekommen, herausgegeben von Paul Oliver. Ich kannte Wheatstraw nur als Randnotiz im Gespräch über Robert Johnson. Mein liebster Autor über den Blues, Elijah Wald, hat den Namen öfter genannt, als es um den Bezug von Robert Johnson zur Legende des Teufels ging, dem man als Bluesmusiker seine Seele verkauft genannt. Ein wichtiges Thema im Narrativ des Blues ab dem Blues-Revival der 60er Jahre. Dazu sagt Elijah Wald auch, dass auf diesen Musiker vielleicht die gesamte Persona des Devil’s Son-in-Law zurückgeht, die in der afroamerikanischen Tradition durchaus eine Basis hat. Wheatstraw hatte Einfluss.

Wen ich also als nebulöse Gestalt der Musikgeschichte kennenlernte, möchte ich also gerne als Musiker erkunden. Außerdem finde ich ihn einfach interessant.

Was wissen wir über Peetie Wheatstraw?

(Das einzige Foto von Peetie Wheatstraw)

Über Peetie Wheatstraw gibt es, wie bei den meisten Country Blues-Musikern, keine lückenlose Biografie. Gibt nur ein verifiziertes Foto von ihm. Sein Geburtsort und -datum ist nicht sicher verifiziert, es gibt noh viele weiße Flecken auf dieser Landkarte. Was wir hier wissen, basiert meist auf Wheatstraws Todesurkunde und Interviews mit einzelnen Weggefährten wie Big Joe Williams.

Geboren ist Wheatstraw wahrscheinlich 1902 in Ripley, Tennessee. Sein Geburtsnamen: William Bunch. Er kam wohl Ende der 20er Jahre ins knapp 400 Kilometer entfernte St. Louis und nahm dort den Künstlernamen Peetie Wheatstraw an, den er sehr gern mit einer dämonischen, abenteuerlichen Persona dekorierte und mit dem Zusatz des Devil’s Son-in-Law oder High Sheriff of Hell ergänzte. Auf fast all seinen Aufnahmen wird er so bezeichnet. In St. Louis sollte er ziemlich erfolgreich gewesen sein. Er hat in den Jahren 1930 bis 1941 ganze 161 Aufnahmen für Vocalion, Decca und Conqueror gemacht. Damit war er definitiv einer der meist aufgenommenen (und auch best verkauften) Blues-Musikern des Pre-War Blues. Laut Elijah Wald war er nach Tampa Red, Big Bill Broonzy, Lonnie Johnson und Bumble Bee Slim der fünft meist aufgenommene prewar Blues Musiker.

St. Louis und der Blues ist eine lange Geschichte. Gerade der Piano-Blues ist hier in de 30ern ein großes Thema. Sunnyland Slim und Roosevelt Sykes haben hier gewirkt und Leroy Carr hat mit dem How Long Blues einen Piano-Blues Hit im Jahr 1928 gehabt. Dadurch wurde auch auch das Piano-Gitarren Duo im Blues populär. Und Peetie Wheatstraw konnte beides: vor allem Anfangs begleitete er sich selbst auf der Gitarre, später dominierte das Klavier dann seine Aufnahmen. Nach 1938 nahm er gar keine Instrumente mehr auf und war ausschließlich als Sänger zu hören.

Hier sein Police Station Blues von 1932:
https://www.youtube.com/watch?v=4MYJCUDKCEw

Und hier sein Cake Alley von 1938:

https://www.youtube.com/watch?v=hihrVfpPenY

(Schellackplatte mit der Peetie Wheatstraw-Aufnahme des Police Station Blues, 78er Schellackplatten aus der Sammlung von Axel Küstner)

Viele namhafte Musiker standen im Studio an seiner Seite (Kokomo Arnold, Lonnie Johnson, Charley Jordan, Papa Charlie McCoy, Teddy Bunn und Champion Jack Dupree z.B.). Sein Stil war eingängig. Seine Stimme war aber das Besondere: laid-back mit Coolness und viel Selbstsicherheit. Dazu hatte er den Einwurf des „oh, well, well, well“ perfektioniert, der heute noch oft im Blues gebraucht wird. Das verkaufte sich. Die Themen der Lieder waren breit gefächert: Arbeitsumstände, Gentrifizierung, Betrug, Frauen und Machtfantasien findet man hier.

Wheatstraw war ein richtiger Profimusiker. Er öffnete 1939 mit Big Joe Williams einen Nachtclub in St. Louis. Er verkörperte schlicht das Bild des prahlenden, gefährlichen Blues-Man, de rmit dem Bösen im Bunde ist. Zeitgenossen beschrieben ihn als eine „Jive-type person“. Trotz der Depression verkauften sich seine Aufnahmen gut. Er konnte sogar beim großen Decca-Label aufnehmen und bekam viel Promo. Auch wenn sich sein Stil gegen Ende hin ein bisschen mehr dem Jazz zuwandte: seine Musik hatte eine gewisse Eintönigkeit. Das spricht für etwas weniger musikalische Flexibilität, war aber sicher auch das Erfolgsrezept für seine Aufnahmen. Der emanzipierte Afroamerikaner, der sein Ding macht, hatte Käufer.

Am 21.12.1941 kollidierte ein Auto in dem er mit Freunden saß mit einem stehenden Güterzug. Alle Insassen kamen dabei ums Leben. Es war Peetie Wheatstraws 39. Geburtstag.

In dieser Podcast-Folge von Sunday Blues hört man ab 1:05:40 wie Big Joe Williams im Interview mit Axel Küster im Jahr 1977 vom Tod von Wheatstraw erzählt. Er war mit dabei im Auto, das später mit dem Wagon kollidierte. Zum Glück ist er nur vorher schon ausgestiegen. Danke an Axel Küstner für den Hinweis.

https://www.mixcloud.com/Bigroadblues/slow-and-easy-baby-a-tribute-to-big-joe-williams-pt-3/

Und Peetie Wheastraw lebte auf viele Weisen weiter: Robert Johnsons Aufnahme Little Queen of Spades ist eigentlich eine Kopie von Wheatstraws King of Spades aus weiblicher Sicht. Seine Attitüde als der mit dem Teufel im Bunde wurde eine Schablone für Generationen an Bluesmusikern. Diese Message von Emanzipation und Mythos in einem geht sogar noch weiter.

Peetie Wheatsraw, the Devil’s Son-in-Law ist ein geflügelter Begriff in der afroamerikanischen Kultur geworden. In seinem Buch beschreibt Paul Garon, wie er auf seinen Reisen mehrfach auf Afroamerikaner trifft, die sich als dieser bezeichnen. Im Roman Invisible Man (1952) von Ralph Ellison gibt es auch eine Figur dieses Namens, der ein beinahe magischer afroamerikanischer Straßenhändler ist. Dazu gibt es auch einen ganzen Blaxploitation Film zur Figur von 1977. Der Mythos lebt eben weiter.

Was am Ende über Peetie Wheatstraw zu sagen?

Vom Blues-Revival der 60er wurde Wheatstraw kaum rezipiert. Ich finde, ein Musiker, den man nur als Beifang kennenlernt, wenn es um einen anderen Musiker geht, sollte man doch mal genau unter die Lupe nehmen. Außerdem zeigt uns die Aufarbeitung seiner Biografie die Stolpersteine bei der Erschließung von Country Blues-Musikern des pre war Blues, wie z.B. oft fehlende Quellen.

Eine weitere Frage ist hier: was für eine Stellung hatte er im Blues-Revival der 60er Jahre? Klar, einige kannten ihn, aber er war keiner der großen Namen, wie Robert Johnson. Vielleicht war er auch einfach nicht obskur genug für die Mystik-liebende Babyboomer-Generation.

Ich hoffe insgesamt, etwas Aufmerksamkeit auf einen Künstler zu legen, der sonst oft als Fußnote im Blues behandelt wird obwohl er offensichtlich stilprägend war. Seine Art, den Teufel in den Blues zu bringen hat dem Genre vielleicht die nötige Energie verliehen. Und vielleicht ist es gerade das, was uns bei ihm größer macht.

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