Hazy Osterwald is Watching the River Flow

Eine Stichprobe aus dem Lippmann+Rau-Musikarchiv

Im Lippmann+Rau-Musikarchiv in Eisenach befindet sich die persönliche Sammlung von Hazy Osterwald. Der Komponist, Sänger und Leiter des berühmten Hazy Osterwald Sextetts. Mit einer Mischung aus Easy Listening, Schlager und Kabarett hat sich der schweizerische Musiker einen besonderen Platz in der deutschsprachigen Musikgeschichte verdient. Mit Charme und einem Blick, der auch gesellschaftliche Themen aufgreift, gepaart mit witzigen Texten, war Osterwald für die bundesrepublikanische Gesellschaft des Wirtschaftswunders genau der richtige. Sein Konjunktur-Cha-Cha-Cha und Kriminaltango wurden zu Hits, aber auch Stücke wie Der Fahrstuhl nach oben ist besetzt und Mein Friseur weiß das viel besser haben heute noch einen gewaltigen Charme. Nach seinem Tod im Jahr 2012 kam nun ein Großteil seines Nachlasses nach Eisenach ins Lippmann+Rau-Musikarchiv. Die Sammlung umfasst neben anderen Medienformen knapp 150 Tonbänder, 50 Hörkassetten und 100 Schallplatten. Unter den Schallplatten befindet sich nicht nur Fats Waller, Nat King Cole, Louis Armstrong und Sammy Davis Jr. Hier finden sich auch Pink Floyd, Jimi Hendrix und ja: auch Bob Dylan.

(Hazy Osterwald 1961, Quelle: Wikimedia Commons)

Watching the River Flow / Spanish is the Loving Tongue bei Hazy Osterwald

Was man hier findet, ist die am 3.6.1971 herausgekommene Bob Dylan-Single Watching Tthe Rover Flow / Spanish is the Loving Tongue. Auf der B-Seite ist ein offizieller Sticker angebracht: „FOR DEMONSTRATION USE ONLY, NOT FOR SALE“, also wohl eine Demo-EP. Auf Seite A ist ein Etikett mit handschriftlichem „USA, AUG 14th, NO. 38“ zu lesen. Was kann es nun damit auf sich haben? Als Archivar des Archivs und Mitherausgeber des Key West-Magazins bin ich da natürlich sofort aufmerksam geworden. Zunächst aber ein paar Hintergrundinformationen.

(A und B-Seite der Single, Foto: Daniel Eckenfelder)

Bob Dylan im Jahr 1971: ein suchender Wanderer

Diese EP entstand in einer spannenden Zeit in Dylans Biografie. Knapp ein Jahr bevor die EP rauskam, im Sommer 1970, saß Bob Dylan mit Backgroundsängerinnen und Band im Studio um New Morning aufzunehmen. Mit einem schönen Country-Soud war das Album verspielt, aber nach dem kommerziellen Flop von Self Portrait kurz vorher, war Dylan den gesäuselten Country langsam auch ein bisschen über. Seinen Produzenten seit Highway 61 Revisited, Bob Johnston, sagte er für kommende Alben ab. Bob Dylan wollte wieder einmal neues versuchen. Er klopfte bei Leon Russell an, der den Country Zeit seines Lebens hervorragend mit Rock verbinden konnte. Sein Southern Rock Boogie-Piano war sein absolutes Markenzeichen. Im Frühling 1971 setzte er eine Sessionmusiker zusammen mit Bob Dylan in sein Studio in New York. Da jammten alle dann einen Tag lang rum und am nächsten Tag kristallisierte sich ein Song heraus. Es wurde ein schiebender Blues-Rock Song. Bob Dylan schrieb den Text in kürzester Zeit ganz spontan im Studio und dann wurde auch schon live aufgenommen. Am 3.6.1971 kam die Single dann raus, als B-Seite wurde eine unveröffentlichte Aufnahme der New Morning Session des alten Cowboysongs Spanish Is The Loving Tongue gewählt. Am 1. August begleitete Leon Russell dann Bob Dylan am Bass beim berühmten Concert for Bangladesh. Bei Dylans nächster Single, George Jackson, begleitete Russell Dylan noch am Bass, dann endete aber auch schon die Kooperation der zwei. In den kommenden Jahren sollte Dylan gar keine regulären Alben mehr rausbringen. Ende 1971 brachte Columbia eine Best-Of Platte raus und 1973 kam ein Album mit der von Dylan komponierten Musik zum Western Pat Garrett & Billie the Kid raus. Das nächste richtige Album war eigentlich erst Planet Waves von 1974.

Hier der Titel:
https://www.youtube.com/watch?v=_xRlojtDdEs

Wie kam Hazy Osterwald aber an die Demo-Kopie der Bob Dylan-EP?

Um es kurz zu machen: das weiß ich nicht. Wir können uns erst einmal hands-on den genaueren Angaben auf der Single zuwenden. Was wir hier haben ist keine von Columbia extra früh gepresste Promo-Pressung. Die hätte ein weißes oder hellblaues Label, wie hier (https://www.searchingforagem.com/1970s/1971.htm) zu sehen ist. Es handelt sich hier also um eine handelsübliche Pressung vom Sommer 1971, die von Columbia trotzdem zur Demo vergeben wurde. Der Sticker auf der Rückseite weißt auf den 14.8.1971 hin. Da war die Single 2 Monate alt und gerade in dem Charts. Nr. 41 war die in den Single-Charts im Vereinigten Königreich, in den US Billboard Top 100 aber nur an Stelle 41, am besten schnitt sie noch in den niederländischen Single Top 100 mit Platz 18 ab.

Was sehen wir hier noch? Ganz klar die Seriennummern 4-45409 und ZSP 1551106. Dazu:

Eingekratzt auf beide Seiten:

T i

Eingekratzt auf Seite A:

ZSP155106-1C

Eingekratzt auf Seite B:

ZSP155107-2D

Die T 1-Markierungen könnten ein Hinweis darauf sein, dass die Pressungen in Terre Haute in Indiana im Columbia-Presswerk stattfand. Zwischen 1953 und 1983 wurde hier gepresst.

Columbia Records und Hazy Osterwald ist durchaus eine Verbindung.12 Titel hat Osterwald für Columbia zwischen 1963 und 1965 aufgenommen, darunter auch sein toller Song Der Herr mit dem Pepita Hut. Dazu einige Titel für Columbia blau und Columbia France. Es kann also durchaus sein, dass er den Titel von Columbia selbst bekommen hat. Sei es, weil er ihn mochte oder weil das Label ihm regelmäßig Platten für Promo schickte. In seiner Single-Sammlung finden sich mehrere solcher Singles mit Demoausgabe-Stickern. Ob Hazy Osterwald sie sich selbst angehört hat, wissen wir nicht. Vielleicht gehörte die Single auch wen anders und beim Transport ins Lippmann+Rau-Musikarchiv kam es zu einer Verwechslung. Bei der Vinyl-Single von Aretha Franklins (You Make Me Feel Like) A Natural Woman von 1968 hat sogar jemand mit Filzstift auf die Hülle nur „Hazy?“ geschrieben. Es bleiben viele Geheimnisse offen, aber genau dafür gibt es auch Archive.

Fühlt euch immer gerne eingeladen auf unserer Webseite zu scrollen und euch die Findbücher anzuschauen. Vielleicht findet ihr ja auch etwas spannendes, das ihr hier im Lippmann+Rau-Musikarchiv erforschen wollt:

https://www.lippmann-rau-stiftung.de/l-r-musikarchiv/