Make You Feel My Love

von Thomas Waldherr

Bob Dylans Love Songs: Bob Dylan ist nicht nur Protestsongmeister und der Mann, der dem Rock’n’Roll Hirn gegeben hat. Er hat auch wunderbare Love Songs geschrieben

Als ich vor mehr als 47 Jahren begonnen habe, Bob Dylans Musik zu hören, war „Hurricane“ mein Einstiegssong und die „Desire“ mein erstes Album. Die coole, rebellische Haltung und die Stimme gegen Ungerechtigkeit zu erheben, das gefiel mir. Doch schon mit Street Legal, Budokan und dann Slow Train Coming rückten auch andere Songs in den Fokus. Ja, ich war ein politisch interessierter Jugendlicher und junger Erwachsener Aber auch oftmals ein unglücklich Verliebter. Also adaptierte ich seine Lovesongs für mich. Seither trage ich manch Bob Dylan-Lovesong in meiner Erinnerung und in meinem Herzen.

In diesem Artikel möchte ich den Dylan-Love Songs etwas auf den Grund gehen. Den sogenannten Anti-Lovesongs werde ich mich in einem gesonderten Beitrag in der nächsten Key West widmen.

(Cover der Billy Joel Single von „Make you feel my love“)

Im ersten Teil dieses Artikels rufe ich ganz subjektiv einige der schönsten Dylan-Lovesongs in Erinnerung. Wir müssen schließlich wissen, wovon wir reden. Im zweiten Teil beschäftige ich mich dann mit den doppelbödigen „Love Songs“ des Spätwerks.

Teil 1: Die Lovesong-Parade

Love Minus Zero, No Limit

Noch heute gefällt mir die Budokan-Version am besten. Ja, sie ist zuckersüß, ja ist auch wohlgefällig kalkuliert arrangiert. Aber warum nicht? Auch ein erratisches Genie braucht gute Handwerkskunst. Und das beweist Dylan mit dieser ganzen 78er Tournee. Er ist ein großartiger Arrangeur und Wandler seiner eigenen Songs. Textlich ist der Song nicht nur softig und luftig. Die geliebte Frau gibt ihm Ruhe und Kraft zwischen all den Kämpfen seiner Zeit. Den Auseinandersetzungen mit Spießern und Establishment ebenso wie den Auslegungsorgien in den politischen Organisationen der Gegenkultur. Sie ist weise und muss das gar nicht beweisen: „She knows too much to argue or to judge“. Sie ist lebensklug und selbstbewusst und doch rührt sie ihn und seinen Beschützerinstinkt an: „My love she’s like some raven, At my window with a broken wing“ endet der Song mit der vierten Strophe. Ein bisschen kitschig kann auch sehr schön sein. Mit dem Song konnte ich mich identifizieren, der passte zu mancher (verpasster) Gelegenheit.

True Love Tends To Forget

Für mich der schönste Lovesong auf der Street Legal. „Is Your Love In Vain” strotzt ebenso wie “Baby Stop Crying” vor maskulinem Selbstmitleid, letzteres hat sogar eine gefährlich destruktive Note. „True Love“ dagegen achtet das Gegenüber und ist voller Sehnsucht. Und wer ohne Selbstmitleid in Liebesdingen auskommt, der werfe den ersten Stein. „True Love“ kämpft noch, wo „We Better Talk This Over” eigentlich schon aufgegeben hat.

Precious Angel

Gottesglauben hin oder her, dieser Song ist einer der schönsten, den Bob Dylan je geschrieben. Schält man all das biblische, all das fundamentale, nicht verzeihende mal weg, dann dringt man zum Kern vor. Die Frau, die hier besungen wird, war sein Schutzengel. Sie hat ihm in höchster Not geholfen. Die Melodie ist unwiderstehlich, Knopflers Gitarrenspiel hier wirklich klar und überirdisch und Dylan singt mit ganzer Seele.

I Believe In You

Der Beweis dafür, dass Dylan in einem Song nicht nur die Erzählperspektive wechseln kann, sondern auch den Adressaten des Lobgesangs. Klar ist der Song auf den neu gewonnenen Glauben ausgerichtet, weswegen sich viele Freunde von ihm abwenden. Aber er funktioniert auch als an eine Frau gerichtetes Liebeslied: “I believe in you even through the tears and the laughter/ I believe in you even though we be apart/ I believe in you even on the morning after/ Oh, when the dawn is nearing/ Oh, when the night is disappearing/ Oh, this feeling is still here in my heart.” Das half mir beim lieben Bob zu bleiben, bis er seine fundamentalen Überzeugungen wieder überwunden hatte.

Lay, Lady, Lay

Das kannte ich zuerst in der Hard Rain-Version. Wo die Originalversion noch spielerisches, zärtliches Verlangen ausdrückt, ist die Hard Rain-Version – wie natürlich alle Songs auf diesem Album – handfester und kommt direkter zur Sache. Und trotzdem bleibt die Schönheit und der Grundgedanke, dass dieses Verlangen gut und richtig ist. Und dass die andere Person das wirklich auch will. Interessanterweise nimmt Dylan den Song von seinen jüngsten dunklen Neuinterpretationen aus. „To Be Alone With You“ und I’ll Be Your Baby Tonight” zeigen in Dylans Rough And Rowdy Ways-Tour auf, wie dünn die Linie zwischen romantischer Liebe und dunklem Begehren sein kann. Doch dazu später mehr.

(Cover der Bob Dylan Single „Lay Lady Lay / Peggy Day“, Quelle: Columbia Records)

Girl From The North Country

Immer noch eines der schönsten Liebeslieder Dylans, weil es voller lieber Worte über einen Menschen spricht, den man einmal geliebt hat. Respekt und Zuneigung sind unverändert und ganz selbstverständlich wird akzeptiert, dass man Menschen aus den Augen verlieren kann, auch wenn sie einem einmal viel bedeutet haben. Dylan hat es zweimal auf einem Studioalbum gehabt, einmal davon mit Johnny Cash. Eine der schönsten Versionen habe ich aber 2019 in Stuttgart gehört. Es flossen die Tränen. “Well, if you’re travelin’ in the north country fair/ Where the winds hit heavy on the borderline/ Remember me to one who lives there/ She once was a true love of mine.”

Simple Twist Of Fate

Ein weiteres Lieblingslied von mir ist „Simple Twist Of Fate“, das ich, wie so manches, zuerst in der Budokan-Version kennenlernte. Die mit viel Geige in Richtung Kitsch geht. Aber Kitsch geht eben auch bei Bob Dylan. Dann erst habe ich die „Blood On The Tracks-Version“ gehört, die natürlich viel mehr unter die Haut geht. Bob erzählt die wehmütige Geschichte von zwei Menschen, die eine flüchtige Liebesnacht miteinander haben und der Erzähler der Frau und dem Erlebnis nachhängt und darüber sinniert, was daraus hätte werden können. Dylan öffnet hier wieder einmal in wenigen Strophen ein ganzes Universum.

Sweetheart Like You

Es gibt Dylan-Songs, die versteht man erst nach Jahren wirklich gut. Dylan spielt dermaßen mit den Erzählebenen, dass die Songs mindestens vielschichtig, aber oftmals auch recht verwirrend sind. In Dylan stärkstem Album der 1980er, „Infidels“ taucht dieser Song auf. Und ich dachte, da ginge es einfach mal wieder um eine Geliebte, die doofe Sachen anstellt. Doch weitaus mehr steckt in diesem Song. Er ist nämlich einer der Schlüsselsongs des Albums. Er zeigt auf, womit sich das gesamte Album herumschlägt. Bob Dylan hat den festen unerschütterlichen Glauben wieder verloren und ist erneut der Zweifler und Sucher. Und Dylan sucht weiterhin die Liebe und zweifelt am Reagan-Amerika. Denn Dylan ist keineswegs nach seiner Abkehr von den Evangelikalen bei den Konservativen hängengeblieben. Der Song funktioniert auf verschiedenen Ebenen: Einmal als Liebeslied an eine konkrete Person, hier: Debbie Gold, Musikmanagerin und langjährige Freundin Dylans. Und dann auch als Song über Frauen im harten Musikbusiness und eben als Kommentar über das Reagan-Amerika.

I’ll Remember You

Der neben „Dark Eyes“ schönste Song aus dem kaputt produzierten „Empire Burlesque“-Album. Eigentlich ein bitter-süßer Song. Er denkt an eine tolle Frau und Gefährtin zurück, lobt ihre guten Eigenschaften. Doch das dicke Ende kommt. Er ist nicht den Weg gegangen, den sie wollte. Ob das der Grund für die Trennung war? Das waren Zwei zu dickköpfig füreinander. Die Worte sind süß, doch die Botschaft ist irgendwie bitter. Bitter-süß eben.

Make You Feel My Love

(Quelle: Columbia Records)

Was soll man zu diesem Song noch sagen? Ich habe ehrlich gesagt, nie richtig gemocht. Mit war er zu routiniert geschrieben, die Bilder zu eindimensional, zu nahe liegend. Von der Melodie zu nah an „I’ll Remember You“. Dennoch, oder vielleicht auch deswegen, ist er zum kommerziell erfolgreichsten Dylan-Song des Spätwerkes geworden. Er wurde von Billy Joel, Garth Brooks und Adele gecovert und in einigen Filmsoundtracks verwendet. Erst 2019 fand er dann durch seine wunderbare Interpretation vom Meister selbst in Stuttgart Gnade bei mir. Und Bernd Hoffmann hat mich letztendlich durch seine Wertung des Songs und der Herausstellung von Dylans Bedeutung als Autor von Lovesongs das ganze Genre noch einmal neu sehen lassen.

(Quelle: Columbia Records)

Teil 2: Die doppelbödigen Liebeslieder des Spätwerks

„Make You Feel My Love” kann man mittlerweile fast schon als Schlusspunkt seines romantischen Liebeslieder-Oeuvres ansehen. Inmitten der von Vergänglichkeit, Altern und Tod bestimmten dunklen „Time Out Of Mind“ war der Song ein Lichtstrahl. Oder ein letztes Aufglühen. Denn auf den nächsten Alben wird es in Sachen Liebe richtig dunkel und böse.

Mit „Love And Theft“ (2001) tritt das Lovesong-Genre in den Hintergrund. Er erzählt über die Liebe und über Liebende, aber das erzählende ich liebt nicht mehr selbst. Beyond The Horizon von Modern Times (2006) ist so eine Betrachtung. Es könnte ein Verstorbener sein, der hier seiner Liebsten gedenkt, dessen Liebe ewig währt. Es könnte aber auch ein liebender Gott sein. Was schon mal ein Vorteil gegenüber Dylans strafendem Gott während der Gospel-Jahre.

Auch in This Dream Of You von Together Through Life (2009) findet keine Liebeswerbung statt und die Liebe wird auch nicht vollzogen. Stattdessen hat da einer nur noch den Traum einer geliebten Frau im Kopf. Alles ist ganz weit weg und es sind nur noch Schatten zu sehen.

Auf dem 2012er Album „Tempest“ wird es dann noch dunkler und abgründiger. Heinrich Detering hat ja in Soon After Midnight die Geschichte eines Frauenmörders gesehen und das passt auf dieses Album perfekt, denn auf diesem Album kommen viele Menschen um. Es ist eine gewalttätige Welt und auch die Liebe endet in Gewalt (Tin Angel) oder zumindest in Abneigung („Long And Waisted Years“).

Auf dem 2020er-Album „Rough And Rowdy Ways“ gibt es dann ein Liebeslied. I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You richtet sich aber ganz deutlich nicht an einen geliebten Menschen, sondern an Gott. Mit diesem Glauben von Dylan lässt sich gut leben. Denn er singt über seinen Gottesglauben, aber er verlangt ihn nicht von uns, er missioniert nicht.

In seinem sensationellen „Konzert-Video“ „Shadow Kingdom“ und dann auf seiner „Rough And Rowday Ways-Tour“ interpretiert er die seine beiden klassischen Lieder von Liebe und Begehren, I’ll Be Your Baby Tonight“ und vor „To Be Alone With You, so, dass sie sich in sein aktuelles Konzert-Konzept einfügen können. „I’ll Be Your Baby Tonight“ beginnt als Gospel, mutiert zum Rock’n’Roll, um dann wieder zum Gospel zu werden. Mit diesem Song hebt Dylan einmal mehr die Trennung zwischen religiösen und weltlichen Liebesliedern auf und unterrichtet uns gleichzeitig in Musikgeschichte. Der Rock’n’Roll genauso wie der Soul hat seine Wurzeln auch im Gospel und wer sich fragt, woher die Extase, die Körperlichkeit und Little Richards „A-WOP-BOP-A-LOO-BOP-A-WOP-BAM-BOOM eigentlich stammen, der könnte in den Pfingstler-Kirchen des amerikanischen Südens fündig werden.

(Quelle: Columbia Records)

„To Be Alone with you“ dagegen wird vom Verlangen einer Liebesnacht zur schaurigen Geschichte einer übersteigerten Liebe, der seine Geliebte gerne besitzen oder wenigstens mal mit ihr eine Stunde im Turmzimmer einer Burg verbringen würde. Klingt nicht sehr gesund.

Dylan hat also von den romantischen Lovesongs längst Abstand gewonnen. Entweder er beschäftigt sich als Beobachter mit der Liebe (auch das hat ja eine durchaus zwiespältige Konnotation), als Musikhistoriker (so kann er sich von seinem jüngeren Ich distanzieren) oder er erzählt uns Schauergeschichten von der destruktiven Liebe. Und so zeigt er uns auch auf dem Feld der Lovesongs seine stetigen Wandlungen und seine große Kunstfertigkeit in der immer wieder neuen Interpretation seiner Songs.

Die Love Songs in der Americana-Reihe

„The Love Songs Of Bob Dylan“ heißt auch eine Konzertveranstaltung der Darmstädter Americana-Reihe. Am Donnerstag, 23. Mai, dem Vorabend von Dylans 83. Geburtstag, spielen in der Bessunger Knabenschule Künstler aus Rhein-Main die Liebeslieder und Thomas Waldherr, der Kurator der Reihe, wird sie mit kurzen Redebeiträgen in das Gesamtwerk Dylans einordnen. Mit dabei der „Darmstädter Dylan“ Dan Dietrich, Wolf Schubert-K. & Friends, die Country-Singer-Songwriterin DanaMaria, der Frankfurter und Ex-Darmstädter Martin Grieben sowie als Special Guest Bernd Hoffmann. Beginn der Veranstaltung ist um 20 Uhr, der Eintritt beträgt 18 Euro, ermäßigt 15 Euro. Der Vorverkauf beginnt in Kürze auf http://www.knabenschule.de .

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