«FOREVER JUNG? FOREVER FREUD!»

BOB DYLAN UND DIE PSYCHOANALYSE

von Martin Schäfer

here lies bob dylan
demolished by Vienna politeness-
which will now claim to have invented him
the cool people can
now write Fugues about him
& Cupid can now kick over his kerosene lamp-
boy Dylan – killed by a discarded Oedipus
who turned
around
to investigate a ghost
& discovered that
the ghost too

was more

than one person1

Moment mal: müsste dieser Untertitel nicht viel eher «Bob Dylan oder die Psychoanalyse» heissen? Es gibt scheinbar wenig Hinweise darauf, dass Dylan sich je besonders für die von Sigmund Freud entwickelte Methode zur psychischen Gesundung interessiert oder gar begeistert hätte. Obwohl sich schon auf seinem bahnbrechenden zweiten Album THE FREEWHEELIN’ BOB DYLAN (1963) eine witzige Strophe findet, die gleich zu Beginn von einem Besuch bei einem von New Yorks vielen Psychoanalytikern zu berichten scheint:

Some time ago a crazy dream came to me
I dreamt I was walkin’ into World War Three
I went to the doctor the very next day
To see what kinda words he could say
He said it was a bad dream
I wouldn’t worry ’bout it none, though
They’re only dreams, rollin’ in your head

I said, “Hold it, Doc, a World War passed through my brain”
He said, “Nurse, get your pad, this boy’s insane”
He grabbed my arm, I said, “Ouch!”
As I landed on the psychiatric couch
He said, “Tell me about it”2

Dass Dylan spätestens im New Yorker Greenwich Village (ab Januar 1961) bald mit psychoanalytischem Gedankengut in Berührung kam, ist anzunehmen. Er war ein häufiger Gast im Haushalt von Eve und Mac McKenzie, 10 West 28th Street – deren Sohn Peter hat 2021 ein sehr berührendes Erinnerungsbuch dazu geschrieben.3 Eve und «Mac» waren engagierte linke Gewerkschafter und Folk-Fans, da wurde gesungen, erzählt und über alles diskutiert, «world history, politics and religion», Eve McKenzie war sogar befreundet mit Woody Guthries (Ex-)Frau Marjorie und deren Sohn Arlo, befreundet auch mit dem bereits recht etablierten Folk-Sänger Dave Van Ronk und dessen Frau Terri Thal, die in der Folge zu Bob Dylans erster professioneller Managerin wurde. Zum Thema Psychoanalyse schreibt mir Peter auf Anfrage:

My mother and my aunt were very big Freud believers. They talked about his theories many times when Bob was around. There were also books on the living room shelves regarding Freud. Knowing how Bob osmosed things I would say it’s safe to say whether or not he may have picked up knowledge of Freud in other places he would have gotten an earful of it at some point in the apartment (Persönliche Mitteilung vom 27.10.2023)

Man kann also davon ausgehen, dass der junge Dylan in New York durchaus vertraut war mit der Freud’schen Psychoanalyse und ganz besonders mit Freuds grundlegendem frühen Buch Die Traumdeutung (1900). Umso mehr, als das Wort «dream(s)», im Singular und im Plural, in Dylans Songtexten von Anfang an zu den zentralen Begriffen gehörte, von «Bob Dylan’s Dream» (1963) bis «Series of Dreams» (1989) und «This Dream of You» (2009). Der Begriff spielt aber auch eine gewaltige Rolle im Vokabular der sozialen und politischen Umwälzungen seit den fabelhaften Sixties: «I Have A Dream» hiess die epochale Rede, die Martin Luther King, notabene in Gegenwart von Bob Dylan, Joan Baez, Harry Belafonte, James Baldwin und Dutzenden von einflussreichen Figuren jener Zeit, am legendären «Marsch auf Washington» am 28. Juli 1963 hielt: ihr Titel klingt bis heute als Echo durch die Jahrzehnte, zuletzt auch überdeutlich in «Murder Most Foul», Dylans traumhafter Beschwörung jenes unvergesslichen «Nightmare on Elm Street» vom 22. November 1963, als Präsident Kennedy ermordet wurde, für manche ein möglicher Bewahrer und Umsetzer von Kings grossem Traum.

Träume und Alpträume: sie durchziehen von allem Anfang an manche von Dylans stärksten Songs. Schon sein erster grandioser poetischer Höhenflug, «A Hard Rain’s A-Gonna Fall», wirkt wie ein traumhafter Zug durch eine Bilderwelt von Leben und Tod, Bergen und Abgründen, und bald schon durchdringen Traum- und Alptraum-Motive praktisch jeden zweiten Song: manchmal humoristisch, satirisch, wie in «Motorpsycho Nitemare» und «Bob Dylan’s 115th Dream» (1965), manchmal vielschichtig und hintergründig wie in «Gates of Eden» («At dawn my lover comes to me/ And tells me of her dreams»). Hier taucht zum ersten Mal explizit auch das Thema der Traumdeutung, und zwar auf ebenso reflektierte wie (sebst-)kritische Weise: «With no attempts to shovel the glimpse/ Into the ditch of what each one means»! Was für ein grossartiges Bild: es gilt zu verzichten auf jeden Versuch, den im Traum erhaschten, flüchtigen Blick (auf was auch immer) «in den Graben dessen zu schaufeln, was ein jedes meint». Ist das nicht die Essenz dessen, was Traumdeutung sein kann und gleichzeitig nicht sein soll!?

Aber der einzige Moment, in dem Dylan in einem Song sozusagen die Couch-Situation beim Psychoanalytiker beschreibt, ist wie gesagt der Anfang des «Talkin’ World War III Blues», der mit der ermutigenden Zeile aufhört: «I’ll let you be in my dreams if I can be in yours»! Genau das macht Dylan seither, könnte man sagen, ziemlich systematisch: er lässt uns teilhaben an seinen Träumen und er begleitet uns in unseren…

Ob er selber sich je wirklich, und sei es versuchsweise, bei einem «shrink» seine Träume analysieren liess, sei dahingestellt, und was er in der Folge, in Interviews zum Beispiel, über Psychologie und Psychotherapien gesagt hat, war in der Regel eher abwertend: er sah sie mehr als Zudienerin der Werbeindustrie (was sie ja oft, zumal in den USA, auch war), eine kritische Haltung, die deutlich zum Ausdruck kommt in Strophen wie «Advertising signs that con/ You into thinking you’re the one/ That can do what’s never be done» («It’s Alright Ma», 1965). Und der Gedanke, dass jemand anders seine Träume sezieren könnte, erfüllt ihn, im selben Song, eigentlich nur mit Angst und Schrecken: «And if my thought dreams could be seen/ They’d probably put my head in a guillotine»!

Ein ganz ähnlicher Gedanke, auf humoristische Weise, taucht schon zwei Jahre vorher auf in jenem anderen famosen «Talkin’ Blues», dem «John Birch Paranoid Blues»:

Well, I fin’ly started thinkin’ straight
When I run outa things to investigate
Couldn’t imagine doin’ anything else
So now I’m sittin’ home investigatin’ myself!
Hope I don’t find out anything . . . hmm, great God! 4

Hier versteckt sich, sehr witzig, eine eigentlich durchaus psychoanalytische Idee: nämlich die, dass es höchst gefährlich sein könnte, seine eigenen Träume, sein eigenes Unbewusstes zu erforschen – weiss Gott, in der Tat, was da alles zum Vorschein kommen könnte! Noch gefährlicher natürlich, wenn jemand anders, ein Psychologe oder gar eine Institution, so etwas versuchen würde… Es ist ja fast eine Binsenwahrheit, dass ein Dichter oder ein anderer Künstler, der sein Unbewusstes allzu genau und rational untersucht, womöglich die Quellen seiner Kreativität bedrohen könnte. Genau davon zeugt auch Dylans oft manifestierte Angst vor invasiven Deutungen, Interpretationen, die seine Texte allzu genau hinterfragen. Er hasst es bis heute, wenn seine poetischen Bilder auf allzu eindeutige, eindimensionale «meanings» festgenagelt werden sollen: «into the ditch of what each one means». Wer ihn als Gesprächspartner verlieren will, muss nur fragen: was oder gar wen hast du an dieser oder jener Stelle gemeint? Seine Antwort, wenn es je dazu kommt, ist unweigerlich ein trotziges «Wie soll ICH das wissen?» … und genau so muss wohl jeder wahre Künstler antworten, wenn er nicht als peinlicher Ausdeuter seiner eigenen Kunst enden will. (Auch dafür gibt es bekanntlich Beispiele, aber zum Glück nicht bei Dylan.)

Umso erstaunlicher erscheinen mag, auf den ersten Blick, dass Dylans einziger langer Prosatext aus den sechziger Jahren, TARANTULA (1966/1971), eigentlich ein «prose poem», in einem «Epitaph», einer möglichen Grabinschrift für sich selber gipfelt, die als Todesursache sozusagen Seelenmord durch einen Wiener (!) Psychoanalytiker nennt:

here lies bob dylan
demolished by Vienna politeness –
which will now claim to have invented him
the cool people can
now write Fugues about him
& Cupid can now kick over his kerosene lamp-
boy Dylan – killed by a discarded Oedipus
who turned
around
to investigate a ghost
& discovered that
the ghost too

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Ob Dylan hier oder auch im oben zitierten «Talkin’ World War III Blues» nun wirklich aus eigener Erfahrung spricht, ob er je auf der Couch eines Psychiaters oder Psychotherapeuten lag oder nicht, ist eigentlich belanglos – sicher ist, dass ihm diese Welt, die Welt der Seelen- und Selbsterforschung sicher nicht völlig fremd war. Und zwar explizit der freudianischen, das beweist der Hinweis auf Ödipus als zentralen Topos der klassischen Psychoanalyse, wie sie im Wien des beginnenden 20. Jahrhunderts von Sigmund Freund entwickelt wurde und wie sie sich speziell nach dem Zweiten Weltkrieg gerade in New York verbreitet hat.

Genau davon zeugen zum Beispiel auch manche Filme von Woody Allen, oder Frank Oz’ WHAT ABOUT BOB? (1991) mit Bob Hoskins und Richard Dreyfus, oder David Mamets HOUSE OF GAMES (1987), in dem eine Psychotherapeutin in eine raffinierte Betrügerei verwickelt wird, in der Not einen Mafioso erschiesst und sich darauf an ihre alte Wiener Lehranalytikerin wendet mit der Frage: «What can you do when you’ve done something completely unforgivable?» Die Antwort, mit «Vienna politeness», lautet schon fast dylanesk: «You can only forgive yourself.» Eine Szene, die ganz gut aus einem Dylan-Song stammen könnte, zum Beispiel aus einer Fortsetzung von «Lily, Rosemary and the Jack of Hearts»

In seinem Werk kommen zwar nach 1963 keine Psychiater mehr vor, aber jede Menge andere Ärzte, und einmal nennt er einen davon sogar seinen besten Freund, wenn auch einen nicht ganz zuverlässigen:

Now if you see Saint Annie
Please tell her thanks a lot
I cannot move
My fingers are all in a knot
I don’t have the strength
To get up and take another shot
And my best friend, my doctor
Won’t even say what it is I’ve got6

Wer ist der Arzt wohl, der zugleich in gewisser Weise als bester Freund gelten könnte? Bei Elvis Presley war es, auf höchst suspekte Art, der ärztliche Drogendealer, der ihn versehentlich ins Jenseits beförderte. Für manche andere Dichter oder Künstler könnte es aber der Psychotherapeut sein, für den grossen Jazz-Komponisten Charles Mingus etwa, der in seiner Autobiographie BENEATH THE UNDERDOG (1971)7 auch von seinen psychoanalytischen Erfahrungen berichtet. In Dylans näherem Umfeld könnte das aber auch Joan Baez sein, die in ihrem neuen Dokumentarfilm I AM A VOICE sehr freimütig über ihre lebenslange Abhängigkeit von verschiedensten Psychotherapien berichtet. Ob sie je eine freudianische Analyse machte, ist mir nicht bekannt, aber klar wird in diesem Film, dass sie offenbar schon als Kind unter Panikattacken und Angstzuständen litt. Aus ihrem «senior year» in der Highschool erzählt sie übrigens auch in ihren Memoiren: «My demons staged a powerful comeback» (AND A VOICE TO SING WITH, 1988, p.43), worauf ihre Mutter sie zu einem Psychiater geschickt habe. Aber: «I didn’t know then that my demons would never vanish»… (ebd.)8

Das gängige Bild ihrer späteren Beziehung mit Bob Dylan ist wohl, dass bei der abrupten (und für Baez schmerzhaften) Trennung im Frühjahr 1965 in England, die in D.A. Pennebakers Film DONT LOOK BACK (1967) dokumentiert ist, nicht Baez, sondern Dylan der schwierigere, gestörtere der beiden war. Aber in I AM A VOICE wird unversehens eine ganz andere Version plausibler: dass womöglich Dylan der psychisch gesündere von ihnen war, als er nicht nur der armen Joan, sondern (ebenso mutig) seiner Folk-Protest-Identität Adieu sagte und alsbald, mit dem Erdbeben namens «Like A Rolling Stone», die Geschichte der Popkultur auf eine ganz andere Schiene brachte. Nicht zuletzt unter dem Einfluss der «Beat Poetry» von Jack Kerouac und Allen Ginsberg (der gleich zu Anfang von DONT LOOK BACK, im gefeierten Video zu «Subterranean Homesick Blues», durch die Szene spaziert). Von allen damaligen Freunden und Weggefährten lässt sich von Ginsberg mit Sicherheit sagen, dass er mit Dylan manche Drogenerfahrungen gemeinsam hatte; ebenso bekannt über ihn ist, dass er mit der Psychoanalyse mehr als oberflächlich vertraut war. Gilt das vielleicht, mit einiger Wahrscheinlichkeit, auch für Dylan? Das werden wir vermutlich nie wissen, aber ganz sicher ist, dass Dylan wie Ginsberg (und viele andere in jener Zeit) von Begegnungen mit östlicher Weisheit und besonders mit der japanischen Zen-Philosophie geprägt wurden. Auch Sara Nozinsky Lowndes, die Bob Dylan im Oktober 1965 heiraten und die Mutter seiner Kinder werden sollte, war laut manchen Zeitgenossen «an adherent of Eastern mysticism» mit einer «Zen-like equanimity».9

Wer nun allerdings in Dylans Biographie konkret nach Begegnungen mit Psychologen, Psychotherapeuten und psychologischem Gedankengut sucht, wird erst gut zehn Jahre später fündig, nämlich bei der ziemlich überraschenden Zusammenarbeit mit Jacques Levy (1935-2004), dem Theaterregisseur der famosen Off-Broadway-Skandalrevue OH CALCUTTA!, der zunächst Songs für Roger McGuinn (von The Byrds) geschrieben hatte, aber 1975 als Texter für sieben der Songs auf Dylans womöglich kommerziell erfolgreichstem Album DESIRE (1975) fungierte – und in der Folge auch als Regisseur der gefeierten «Rolling Thunder Revue». Wer ihn auf Wikipedia sucht, stellt nämlich fest, dass Levy studierter Psychologe und sogar ausgebildeter klinischer Psychotherapeut war, zertifiziert an der Michigan State University und an der Menninger School of Psychiatry in Topeka (Kansas), wo der legendäre Otto F. Kernberg von 1960-1965 Direktor war. Mitunter wird Levy als der Schule von C.G. Jung zugehörig geschildert, dazu passen würden die stark mythologisch gefärbten Themen der Songs auf DESIRE, aber sowohl Kernberg wie auch dessen Vorgänger Otto Fleischmann werden eigentlich eher mit Sigmunds Freuds Wiener Tradition assoziiert – dies nur in Klammern.

So oder so kam Dylan vermutlich lange vorher, während der mehrjährigen Rückzugszeit nach dem umstrittenen Motorradunfall Ende Juli 1966, wieder intensiv mit philosophischen, mythologischen und psychologischen Themen in Berührung. Und dies wiederum speziell durch Allen Ginsberg, der ihm bekanntlich einen ziemlichen Berg von Lektüre für die Rekonvaleszenz überbrachte: von Martin Buber bis Erich Fromm, von Carlos Castañeda bis William Blake. War da vielleicht auch Freuds «DER MANN MOSES UND DIE MONOTHEISTISCHE RELIGION» dabei? Auf jeden Fall trieft das darauffolgende Album JOHN WESLEY HARDING (1967) nur so von biblischen Bezügen, sowohl jüdischen wie christlichen – Dylan selber hat es bekanntlich «the first Biblical rock album» genannt.10

Ob nun die eingangs zitierte Ödipus-Anspielung im mysteriösen Grabspruch in TARANTULA konkret auf eine konkrete Beschäftigung mit Freuds Psychoanalyse hinweist, sei dahingestellt. Dylan war bekanntlich immer ein gieriger Schwamm, der alles Mögliche aufgesogen und verarbeitet hat – so nicht zuletzt auch die Philosophie von Nietzsche, der er gerade in der Entstehungszeit von TARANTULA (vermutlich 1964-1966) ebenfalls begegnet sein dürfte. Im April 1966 erschien das populäre Magazin TIME mit der Frage «Is God Dead?» auf dem Umschlag… und diese bald zur Parole gewordene Frage soll Bob Dylan nach eigener Aussage damals zutiefst schockiert haben. Ebenso schockiert hat ihn offenbar, kurz zuvor, im September 1965, das vom prominenten Werbemann George Lois gestaltete Cover von ESQUIRE, das Dylan als vierten im Bund von angeblichen «College Heroes» neben John F. Kennedy, Fidel Castro und Malcolm X zeigt… Dass er in der Folge, gedanklich, eine ziemlich radikale innere Wende durchgemacht hat, parallel zum Rückzug nach Woodstock und lebensgeschichtlich zur Geburt seiner vier Kinder, darf als bekannt vorausgesetzt werden; er hat sie in CHRONICLES, VOL.1 auf ziemlich drastische Weise deutlich gemacht…

Spannend ist nun aber, gerade in diesem Zusammenhang, dass Dylan auf seinem jüngsten Album ROUGH AND ROWDY WAYS (2000) nochmals (und zum ersten Mal explizit) explizit auf Freud zu sprechen kommt, und zwar im vielsagenden, aber vielleicht irreführenden Vergleich mit Karl Marx:

Step right into the burning hell
Where some of the best known enemies of mankind dwell
Mister Freud with his dreams and Mister Marx with his axe
See the raw hide lash rip the skin off their backs11

Dylan-Kenner wissen natürlich, dass «Mister Marx» hier bereits zum zweiten Mal in einem seiner Songs auftaucht – das erste Mal war 1979, am Anfang der Gospel-Phase, wo er sich zusammen mit Henry Kissinger in einer einzigen vernichtenden Zeile wiederfindet:


Counterfeit philosophies have polluted all of your thoughts
Karl Marx has got ya by the throat, Henry Kissinger’s got you tied up in knots12

Und der Schatten von Karl Marx wird auch später immer wieder in Dylan-Songs vorbeihuschen, in «Union Sundown» (1983) in der Zeile «You know, Capitalism is above the law», noch deutlicher dann in «Workingman’s Blues #2» (2006):

The buying power of the proletariat’s gone down
Money’s getting shallow and weak (…)
They say low wages are a reality
If we want to compete abroad13

Ist es da nicht einigermassen überraschend, dass Dylan in «My Own Version of You» ausgerechnet Freud und Marx zu den «best known enemies of mankind» ernennt? Ich habe bereits früher schon argumentiert, dass dies eigentlich nur Ironie sein kann: denn was Marx und Freud ausmacht, ist dass sie beide den Finger eben auf sehr wunde Punkte der Menschheit gelegt haben, der eine auf das Problem der ökonomischen und politischen Ungleichheiten, der andere auf die ebenso ungelösten Probleme der Triebökonomie. Sind das unsere besten Feinde – oder etwa, gerade umgekehrt, nicht doch unsere besten Freunde, weil sie uns nämlich auf mögliche Auswege aus den äusseren und inneren Gefängnissen hinweisen?


Sometimes I think this whole world
Is one big prison yard
Some of us are prisoners
The rest of us are guards
Lord, Lord
They cut George Jackson down
Lord, Lord
They laid him in the ground14

1 “TARANTULA” (New York/London 1971, p. 120; Copyright © 1966 by Bob Dylan.

Copyright © P 1971 by MacGibbon & Kee)

2 “Talkin’ World War III Blues” (Copyright © P 1963 by Witmark Music; renewed 1993 by Special Rider Music)

3 Peter K. McKenzie, BOB DYLAN . On A Couch & Fifty Cents A Day (New York, MKB Press 2021); vgl. dazu auch

Terri Thal, MY GREENWICH VILLAGE. Dave, Bob and Me (New York, McNidder & Grace 2023)

4 “Talkin’ John Birch Society Blues” (P 1963; Copyright © 1970 by Special Rider Music; renewed 1998)

5 “TARANTULA” (New York/London 1971, p. 120; Copyright © 1966 by Bob Dylan.

Copyright © P 1971 by MacGibbon & Kee)

6 “Just Like Tom Thumb’s Blues” (Copyright © P 1965 by Witmark Music; renewed 1993 by Special Rider Music)

7 Charles Mingus, BENEATH THE UNDERDOG (New York: Alfred A. Knopf/Bantam Books 1970/1971)

8 Joan Baez, AND A VOICE TO SING WITH (London: Arrow Books 1989)

9 Vgl. Steven Heine, BARGAININ’ FOR SALVATION: BOB DYLAN A ZEN MASTER(New York: Continuum Books 2009), pp. 3-4

10 Robert Shelton, NO DIRECTION HOME (1986), p. 389

11 “My Own Version of You” (© P 2000 Copyright © Universal Tunes/Special Rider Music)

12 “When You Gonna Wake Up” (Copyright © P 1979 by Special Rider Music)

13 “Workingman’s Blues = 2” (Copyright © P 2006 by Special Rider Music)

14„George Jackson“ (Copyright © 1971 by Ram’s Horn Music; renewed 1999 by Ram’s Horn Music)

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