„Spirits“ von The Devil Makes Three

Ein Schritt nach vorne und einer zurück

von Richard Limbert

Eine Zeitreise zurück ins Jahr 2014


Es war vor über zehn Jahren im Juni 2014. Ich habe da schon ca. ein halbes Jahr in Leipzig studiert. Ich stehe auf meinem Besuch in der rheinischen Heimat vor einem legendären Schuppen in Köln, dem Blue Shell in der Kölner Südstadt. Ich warte mit meinem Vater auf eine ganz besondere Band. Seit ein paar Jahren sind The Devil Makes Three da auch in Deutschland schon ein Name in der Country, Folk und Americana-Szene. Der ganz große Durchbruch kam 2010 mit dem Auftritt bei den KEXP-Sessions. Damit hat das teuflische Trio gezeigt, was für eine Schlagkraft man mit einer witzigen Mischung aus Bluegrass und Folk etwas punkigen Attitüde so entwickeln kann. Nach ein paar weniger erfolgreichen Versuchen an eigenen Alben in den frühen 2000ern kam der Durchbruch mit Do Wrong Right im Jahr 2009. Die Band hat da einfach funktioniert. Der gewitzte Pete Bernhard als Frontmann an Gitarre und Gesang, der bärtige und etwas schweigsame Cooper McBean spielt zwar diverse Zweitinstrumente wie Banjo und 2. Gitarre aber singt und schreibt hier und da auch ein paar sehr witzige Stücke und die charmante Lucia Turino am Kontrabass schaffen es, als Dreiergespann eine Explosionskraft wie vier Stangen Dynamit zu entwickeln. In den KEXP-Sessions spielen die drei Songs von Alkoholrausch, teuflischen Missetaten und Tagträumerphantasien von großen Cadillacs und Dämonenjagd Seite an Seite mit Jesus himself. Der hektische und witzige Drive des Bluegrass, gemischt mit schelmischem Funkeln in den Augen und einer guten Prise Anarchismus hat viele Hörer damals einfach gepackt. Und ich war einer von denen.

Juni 2014 wollte ich sie dann endlich live erleben. Meinem Vater und mir habe ich uns zwei Tickets besorgt. Das Blue Shell gibt es seit 1979 und strahlt als markantes Eckhaus mit der riesigen neon-blau leuchtenden Muschel an der Front echt eine Strahlkraft die ich sonst selten kenne. 1980 wurde hier schon Frank Zappa nicht reingelassen. 2013 feierte ich hier meine Abschiedsparty vor meinem Umzug nach Leipzig. Und trotzdem war es der Juni 2014, der mir besonders in Erinnerung geblieben ist. The Devil Makes Three haben in drei Stunden einfach die Bühne und das eng an eng gedrängt Publikum auseinandergenommen. Es blieb nach dem Tanzen, Trinken und Klatschen am Ende nur noch eine Masse aus Schweiß und Hormone im Blue Shell übrig. Ich kaufte mir danach sofort noch am Merch Tisch Do Wrong Right auf CD.

The Devil Makes Three und ihre Albumgeschichte

Im März 2015 habe ich die drei dann nochmal im Conne Island in Leipzig gesehen. Da war ich zwar etwas weniger begeistert als ich Köln (die Halle war zu groß und das Publikum nicht so dolle), aber die Songs von Do Wrong Right haben mich bis heute begleitet und haben ihren festen Platz auf meinem Mp3-Player. Ihr Self-Titled Debütalbum hatte als Re-Release 2007 schon ziemlich Erfolg. Songs, wie Graveyard und Lucky Number 7 gelten bis heute als Fan-Favorites. 2013 kam dann nach Do Wrong Right als nächstes Album I’m A Stranger Here raus, das sich auch gut verkaufte (immerhin Nr. 2 der Bluegrass Charts), aber schon weniger Songs enthielt, die als The Devil Makes Three-Klassiker gelten. Drei Jahre mussten Fans dann auf ein neues Album warten und das war dann unfassbar folkig. Das Album Redemption & Ruin von 2016 war ein reines Cover-Album, das echt ein paar gute Aufnahmen enthält und vor allem stark in die klassische Country-Richtung geht, aber vom Anarchismus der frühen Tage war da wenig zu spüren. Das Album Chains Are Broken von 2018 war schließlich etwas ganze neues. Das Cover zeigt einen Leuchtturm auf stürmischer See und ein bisschen verloren ist es auch. Der Sound ist total energetisch, die Songs poppig. Es ist hier sogar ein rockiges Schlagzeug auf fast allen Tracks im Vordergrund, für Bluegrass-Puristen ein absolutes No-Go. Mit Songs wie Paint My Face und Bad Idea hat das Album wirklich Potential, aber so wirklich The Devil Makes Three ist es irgendwie nicht.

Groß angekündigt wurde dann bereits Ende 2024 das neue Album Spirits. Mit kleinen Interview-Videos zu den einzelnen Songs und einigen Songs, die schon im Vorfeld released worden sind hat das Album schon für etwas Aufmerksamkeit gesorgt. Produziert wurde das Album vom Ted Hutt (der schon für die Dropkick Murphys produziert hat und bei Chains Are Broken dabei war). Und zwischen 2018 und 2024 ist viel passiert. 2019 hat Lucia Turino am Kontrabass die Band verlassen und wurde durch MorganEve Swain ersetzt. Bei einem dynamischen, akustischen Trio ist so ein Ersatz einer wichtigen Person nicht ganz einfach. Aber MorganEve scheint den richtigen Drive zu haben. Und dieses Album sollte ein Zurück zu den Wurzeln werden. Die Songs wurden teilweise sehr spontan geschrieben, das Rock-Schlagzeug bleibt weg und prinzipiell ist der Sound erdiger.

Die Songs auf Spirits

Auf den frühen Alben hat sich herauskristallisiert, dass Pete Bernhard der Hauptsongwriter und -sänger ist, während Cooper McBean immer zumindest einen witzigen Track und eine herzzerreißende Ballade beisteuert. Und so ist es auch hier auf Spirits. Ich habe hier ein paar Songs herausgezogen.

Das Album hat echt einige Knüller parat. Der Titeltrack Spirits ist ein Geister-Song wie ihn nur eine Country-Band schreiben kann. Er ist einer der Bernhard-Songs. Hier werden Geister in alten Häusern gesehen. Die Lyrics strotzen nur so von mysteriöser Atmosphäre. Weiße Pferde und Tarotkarten suchen neben alten Geistern den Erzähler heim. Spärlich aber effektiv eingesetzte Percussions und sphärische Backgroundvocals schaffen eine richtig fassbare Geisterwelt, die irgendwo zwischen Realität und Wirklichkeit liegt. Im Refrain singt Bernhard „Too many spirits in my head. Too many spirits in this bottle. And All I do is talk with the dead“. Ist es der Spiritus in der Flasche oder der Spiritus im Kopf, der nun den Geist ausmacht? Ein toller Song, der sich textlich schön zurückhält und trotzdem das Gefühl von böser Heimsuchung kommuniziert. Der Hintergrund dieses Stücks ist ernst: Pete Bernhard hat kurz nacheinander seine Mutter, seinen Bruder und einen alten Freund verloren. Damit umzugehen, davon handelt der Song. Dieses Thema der Kurzlebigkeit und des Verlustes, aber auch des im Hier und Jetzt Lebens durchzieht das Album. Es ist das, was Country-Musik am besten kann: das Beschreiben der Human Condition aus Trauer, Hoffnung, Liebe, Verlust und Spaß.

Ghosts Are Weak ist ein absolut magischer Song. Hier besingt Pete Bernhard eine chaotische Welt aus betrunkenen Cinderellas und diamantenen Ringen am Grunde des Wunschbrunnens. Doch es bleibt alles oberflächlich in dieser Welt. Was für den Song zählt, ist das hier und jetzt. Während die Welt um einen herum nervös ins nächste Babylon feiert, sitzt man doch lieber mit seinem Kumpel bei einem Bier und genießt die Zeit. I know I’m gonna miss you, but I’m glad that you’re gone ist das Credo dieses Songs. Gespielt wird der Song wunderschön seidig und tänzerisch, dabei eine Bariton E-Gitarre von Cooper McBean mit einem markanten Riff und dazu spielt ein Schlagzeug schön im Hintergrund einen Besen-Beat.

Half as High macht einen Sprung in Richtung aktueller Weltlage. Warum werden wir immer schlechter bezahlt und müssen immer mehr ausgeben? In flottem Jubilee-Tempo ein Song, den man gut nebenbei musikalisch weg-snacken kann.

Hard Times ist wahrscheinlich der Versuch, wieder eine herzzerreißende Ballade von Cooper McBean aufs Album zu bringen. Auf Do Wrong Right war es der wirklich Story-lastige Song über eine zerstörte Existenz von Car Wreck. Hier hat sich McBean wahrscheinlich auch von Gospel und Blues inspirieren lassen. Mit seinen getragenen Harmonien und plakativen Lyrics zur aktuellen schweren wirtschaftlichen Lage vieler US-Amerikaner hat der Song Anklänge von Nobody Knows the Trouble I’ve Seen und Hard Times von Ray Charles. Leider bleibt der Text hier doch irgendwie zu oberflächlich und aus dem allgemeinen Wehklagen wird leider nicht das, was Musik eben am besten kann: eine persönliche Geschichte erzählen. Trotzdem sind die Harmonien hier schön komponiert und der Trauergesang der immer gleichen Wörter „Hard Times“ bekommt allein durch neue Harmonisierungen von Kontrabass, Geige und Gitarre immer wieder neue Perspektiven.

Die Frage nach der eigenen Verantwortung in der Welt des Spätkapitalismus bleibt ein wichtiger Punkt auf dem Album. Fallen Champions ist als Song eine Verbeugung vor den Helden der Arbeiterbewegung der letzten Jahrhunderte. An die gefallen Helden erinnern die Geschichtsbücher nur selten, dabei haben die es uns mit ihren Kämpfen und Opfern ermöglicht, ein lebenswertes Leben zu führen, auch wenn man nicht das Großkapital besitzt. Musikalisch ist der Song, ähnlich wie Ghosts Are Weak eine spannende und einnehmende Mischung aus flottem Beat mit düsterem Unterton. Eine Kunst, die das Trio mittlerweile hervorragend beherrscht.

Auch Divide and Conquer ist ein echt tanzbares Country-Stück. Hier ist man sogar schon bei echter Tanzbarkeit angekommen. Da können die Plastik-Bierbecher beim Konzert nur so in die Höhe geworfen werden. Klingen tut es wirklich nach einem schön klassischen Devil Makes Three-Song. Da blitzt auch viel Humor im Text mit, das erinnert an alte Zeiten. Auch geht es um Politik. Die Politik ist da, um zu spalten und die Mengen aufzuwiegeln. Wie seit tausenden von Jahren nutzen die Herrschenden das aus um sich noch mehr Macht unter den Nagel zu reißen. Das passt zum Anarchismus von The Devil Makes Three, für mich ist das aber politisch ein bisschen schwierig. Nicht jeder Protest ist ein Akt der Spaltung. Abertausende in den USA und Europa setzen sich gerade jeden Tag für Demokratie ein und kämpfen gegen den aufkommenden Faschismus. Ein Song, wie Divide and Conquer reiht sich für mich da etwas zu sehr in die Hufeisentheorie ein.

Ich habe ja schon angeteasert, dass auf den klassischen Alben immer ein witziger Song von Cooper McBean dabei ist. Auf Spirits haben wir mit I Love Doing Drugs einen ganz typischen Cooper-Track. Auf Do Wrong Right war es mit Gracefully Facedown der Song übers exzessive Trinken. Hier geht The Devil Makes Three noch einen Schritt weiter und packt gleich einen Song über de Missbrauch von allerhand Drogen aufs Album. Anscheinend war dieser einer der ersten Songs die für das Albumdie Scheibe geschrieben worden sind. Damals hatte Cooper die Regel, aus allen Versen die er so vor sich hin dichtet zwangsweise immer einen Song zu schreiben um so ins Sachreiben zu kommen. Hier war das „It ain’t no sin to think your skin is covered up in bugs. Oh my god! I love doing drugs!“ Ne echt witzige Zeile, aus der auch ein cooler Song über LSD und Chrystal Meth geworden ist, den man sicher nicht zu ernst nehmen sollte. Ein Ohrwurm ist er allemal und sicher ein Titel, den ich gerne mal live spielen würden.#

Ziemlich düster wird es dann bei Poison Well. Der Verlust so vieler wichtiger Menschen im Leben von Pete Bernhard wird auch hier seine Spuren hinterlassen haben. Ohne die Drogensucht wären wahrscheinlich einige der Freunde von Pete noch am Leben und als Freund mitanzusehen, wie jemand langsam im selbst-gegrabenen Grab verschwindet hinterlässt tiefe Wunden. Die Zeilen „Let me try and explain that to ya. Everybody that don’t know what it’s like. Well, it’s like he had that pistol in his hand. Put it to your temple and didn’t even give a damn“ wandern noch immer durch meinen Kopf und machen eben das, was so ein Song sollte: die Geschichte persönlich machen.

Der Sound von Spirits

Nach alldem, was ich schon zum Album gesagt habe, will ich gerne noch auf den Sound eingehen. Dieses Album schafft im Grunde da, was alle Alben seit I’m a Stranger here hier nicht geschafft haben. Das Album macht The Devil Makes Three wieder greifbar. Die Instrumente wirken viel mehr live eingespielt und auch wenn Schlagzeug und Overdubs dabei sind, ist sowas doch eher geschmackvoll in den Hintergrund gemischt. Der Schellenkranz bei I Love Doing Drugs oder die Background-Vocals bei Spirits sind zwar da, aber tragen eher zur allgemeinen Atmosphäre bei. So muss es sein. Dazu hat die Band Soundtechnisch auch Schritte nach vorne gemacht. Diese Einspielungen von Poison Well oder The Gift sind gar nicht so leicht. Das ist schon ein klarer, moderner und auch mainstreamiger Sound, den man live so gar nicht hinbekommt. Das gesamte Bild ist aber stimmig. Wenn das Intro von Ghosts Are Weak auf der Baritongitarre oder die E-Gitarre im Intro von Half as High mit viel Twang und Vibrato gespielt wird, dann hat man da einfach auch Anleihen an Country-Traditionen und es klingt trotzdem moderner. Ich denke, da gab es vor allem durch Ted Hutt gute Einflüsse, der das Album richtig folkig gemacht hat. Nicht ohne Grund wird hier auf Wikipedia schlicht die Genrebezeichung Americana zur Beschreibung des Albums benutzt. Es ist eben ein schöner Mix aus vielem und trotzdem auf dem Boden geblieben. Man hat das Gefühl, in Country-Tradition zu stehen und zur Stabilität trotzdem ein anarchisches, punkiges Gerüst zu haben.

Was ist zum Schluss noch zum Album sagen wollte

Ich glaube, mich hat The Devil Makes Three schon länger nicht mehr so richtig abgeholt. Ich habe im Prinzip ab 2015 aufgehört aktiv Neuerscheinungen der Band zu hören. Mir war vieles irgendwie zu glatt, gleich und produziert. Spirits hat mich aber vor allem durch die Songs und den Klang überzeugt. Man hat das Gefühl, das gute vom Alten wurde mit dem guten vom Neuen hervorragend auf einem Teller portioniert. Ich mag die Eigenständigkeit der einzelnen Songwriter und den Witz der Texte. Den Ersatz von Lucia Turino finde ich ziemlich schade, aber MorganEVe McSwain macht das auch sehr gut.

Was mir auffällt ist eben die Ehrlichkeit der Texte und der Fokus auf die persönlichen Geschichten. Ich finde nur, sobald es generell und politisch wird, kommen ein paar Schwächen raus. Die Country-Musik hat eben die persönliche Experience des ganz normalen arbeitenden US-Amerikaners als Fokus und da raus bewegt sich the Devil Makes Three zwar ganz gut durch ihren folkigen Ansatz, aber der Charme verschwindet dabei eben oft und politische Aussagen werden schnell zu allgemein und facettenlos. Ich glaube, dass die Band selbst kaum künstlerische Vorgaben erfüllen muss und da sicher nichts im Vorfeld diktiert wurde. Alles sind einfach Experimente der Bandmitglieder. Und das schätze ich auch sehr an The Devil Makes Three. Bei der Band hat man das Gefühl, irgendwie persönlich angesprochen zu werden und kann dabei noch mittanzen. Mich haben die drei mit dem Album auf jeden Fall wieder abgeholt.

Im Juli sehe ich The Devil Makes Three übrigens im Naumanns in Leipzig nach fast 10 Jahren wieder live. Mal gucken, wie lange ich diesen Abend in Erinnerung behalten werde.

Ein Kommentar

Hinterlasse einen Kommentar