Nachruf auf Siegfried Schmidt-Joos

Am 3. Februar starb der Musikjournalist und -autor Siegfried Schmidt-Joos in Berlin.

Er war ein Autor, dem man anmerkte, dass sein Blick ins Weite ging. Siegfried Schmidt-Joos brachte unter anderem 1973 das erste deutschsprachige Lexikon zur Rockmusik heraus. Da wollten die Universitäten der Bundesrepublik und DDR noch gar nichts von populärer Musik wissen. Spätestens mit diesem Lexikon schrieb Schmidt-Joos deutsche Geschichte. 1936 in Gotha geboren studierte Schmidt-Joos ab 1954 in Halle. Hier war er ein wichtiger Eckpfeiler bei der Etablierung des Jazz. 1957 flüchtete er in die Bundesrepublik und studierte in Frankfurt Kulturwissenschaft, u.a. bei Adorno und Horkheimer. Seit den 60ern ist er schließlich aus der Musikwelt Deutschlands nicht mehr wegzudenken. Neben seiner Arbeit beim Spiegel und Radio Bremen, war er vor allem beim RIAS und dem Sender Freies Berlin tätig.

Seine Art über Musik zu schreiben zeigt einen Menschen, der nicht sich scheute, auch eine Meinung einzunehmen und trotzdem ohne Vorurteile in eine Musik einzutauchen. Im Lippmann+Rau-Musikarchiv katalogisiere ich seit 2022 seine Sammlung. Was ich dort finde, zeigt mir immer wieder, wie offen und leidenschaftlich Schmidt-Joos an Musik seit über 60 Jahren herangetreten ist. Von Texten zu Skip James, über Ravi Shankar zu Caterina Valente und Katja Ebstein findet sich quasi alles, was die populäre Musik zu bieten hat.

Ein besonderes Merkmal, das wir bei der Key West gerne herausstellen, ist seine Verehrung für Bob Dylan. Als einen seiner Helden zeichnete er Dylan in seinem persönlichen musikalischen Abriss My Back Pages (2004). Dylan als Mann der Show, als Musikant, als wandernder, mystischer Geist, der die Bühne liebt und trotzdem auch etwas kauzig sein kann wird hier sichtbar. So hat er auch die beiden Herausgeber in ihrem Dylan-Bild mitgeprägt und ist als Musikjournalist zu einem ihrer Vorbilder geworden.

Ich war auf ein Stück Käsekuchen und einen Kaffee zweimal bei Schmidt-Joos eingeladen. Von seiner immer menschlichen Art, die über eine Höflichkeit eines Herren aus den 50er Jahren hinausgeht und einer ansteckenden Neugier, habe ich mich dabei immer sehr beeindrucken lassen. Keinen Funken Verbitterung oder Langeweile habe ich bei Siegfried Schmidt-Joos jemals entdeckt. Für mich wird er immer einer von denen bleiben, die unermüdlich die Musik aus der richtigen Perspektive gesehen haben: aus allen gleichzeitig.

Richard Limbert

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