Die ganze Dylan-Welt zwischen zwei Buchdeckeln

„Mixing Up The Medicine“ ist beste Unterhaltung, Ort origineller Gedanken und Katalog der ständigen Ausstellung im Bob Dylan Center zugleich.

von Thomas Waldherr

Nun, gut anderthalb Jahre nach seiner Eröffnung im Mai 2022 hat der Bob Dylan Center, beheimatet in Tulsa, Oklahoma, ein Buch veröffentlicht, dass in seiner Art und Weise die Forschung und Lehre zu seinem Namensgeber mit den Händen greifen lässt und mit den Sinnen erfahrbar macht. Über 600 Seiten voller Bilder, Abbildungen und Faksimiles von Personen, Songtexten, Plakaten, Postern, Setlists undundund. Dieses Buch ist das ideale Referenzprodukt zu einer beispiellosen Archiv- und Forschungsinstitution.

Copyright: Droemer HC

Referenzprodukt und Dylan-Biographie

Denn darum geht es erst einmal in diesem Haus, das befüllt ist mit einem großen Teil des Dylan’schen Nachlasses, das dieser 2016 schon zu Lebzeiten der philanthropischen George Kaiser Foundation überlassen hat. Die George Kaiser Foundation prägt im Grunde wie keine andere Institution das Kulturleben in Tulsa. Ohne diese wäre es genauso ein verschlafenes Südstaaten-Städtchen wie beispielsweise Tupelo, Mississippi oder Montgomery, Alabama. Zwar bieten die auch Museen zu ihrem jeweils größten Sohn an – Elvis‘ Boyhood Home in Tupelo, das Hank Williams Museum in Montgomery – aber weder sind diese Einrichtungen auch nur annähernd vergleichbar mit dem Bob Dylan Center und dem benachbarten Woody Guthrie Center, noch gibt es dort diese Fülle von weiteren Kultureinrichtungen wie in Tulsa.

100.000 Gegenstände des legendären Folk-Musikers werden dort ausgestellt, nur ein Bruchteil konnte den Weg ins Buch finden. Aber dennoch ist die Fülle enorm. Den Exponaten und Bildern entlang schildern Mark Davidson und Parker Fishel spannend und sachlich zugleich den Werdegang des Literatur-Nobelpreisträgers. Sie enthalten sich irgendwelcher Bewertungen oder steiler Thesen.

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Hochkarätige Gastautoren – kluge Analysen

Dafür sind eine Reihe von hochkarätigen Gastautoren zuständig, die es schaffen, der Dylan-Geschichte neue Fragestellungen oder Einsichten abzugewinnen. Eindringlich und überzeugend ist Amanda Petrusichs Plädoyer dafür, Dylans Buch „Tarantel“ wie auch alle seine Songtexte als Literatur anzuerkennen. Wie unter einem Mikroskop mit viel Liebe zum kleinsten Detail entdeckt Greil Marcus wie Dylan 1960/61 langsam zu dem Sänger, zu der Haltung findet, die ihn bis heute ausmacht. Einer der besten Beiträge ist aber das Essay von Greg Tate über Hendrix und Dylan, der in bislang kaum gekannter Systematik das Verhältnis zwischen den beiden Ausnahmekünstlern der 1960er Jahre analysiert.

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So ist dieses dicke Buch auch ein wirklich kluges Buch. Eins für Dylan-Sammer und Komplettisten, eins für Dylanologen, eins für Dylan-Fans jeglicher Art, vor allem aber auch eines für intelligente und neugierige Musikfreunde. Ich sage es doch immer: Dylan macht schlauer!

Bob Dylan: Mixing Up The Medicine. Deutsche Ausgabe. Unveröffentlichte Fotos und Zeugnisse aus dem Bob Dylan-Archiv von 1941 bis heute, München 2023, 608 Seiten mit vielen Abbildungen, 98 Euro.

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