Bob Dylans Akustikgitarren bis 1966 – Verschwunden, zerstört, geliehen

von Richard Limbert

Einem schlechten Tänzer drücken immer seine Schuhe“ heißt es in einem russischen Sprichwort, oder wie die Deutschen sagen „Wenn der Bauer nicht schwimmen kann, liegt’s an der Badehose“. Am Ende kann man alles Technische immer auf sein Werkzeug schieben. Aber gerade bei Musikinstrumenten spielt oft eine große Portion Voodoo mit rein, das außerhalb von purem Material und Technik steht. Von Instrumentenbauern zu Musikern sprechen viele Musikinstrumenten nahezu magische Eigenschaften zu.

Sich mit Material zu beschäftigen bedeutet eben auch, sich an Schnittstelle von Körper und Geist zu treffen. Mit diesem Text will ich diesen Schritt machen und die Auswahl an Musikinstrumenten eines jungen Bob Dylan als Zusammenspiel von ästhetischen Vorlieben, Bauweisen, Akustik und Instrumentengeschichte darstellen. Was für Instrumente fand der junge Dylan vor und wie hat er mit der Auswahl gearbeitet? Hier würde ich mir gerne Bob Dylans Akustikgitarren bis zum Frühling 1966 anschauen. Tauchen wir ein in die Welt von Holz und Draht.

Die 3 Hauptgitarren:

Martin 00-17:

Die Martin 00-17 ist eine wunderschön rustikale Mahagonigitarre. Die Form ist irgendwo zwischen Folk-artiger 000-Form der frühen Martins mit detaillierten Mitten und dickbauchiger Dreadnought-Form, die zum simplen Strumming einen guten, vollen Bassklang gibt. 1949 gebaut und im Herbst 1959 gekauft, wahrscheinlich kurz nachdem er zum Studium nach Minneapolis gezogen ist und da zum ersten Mal eine richtige Folk- und Blues-Szene kennenlernen durfte. Er selbst sagt dazu in Chronicles Vol. 1: „First thing I did was go trade in my electric guitar, which would have been useless for me, for a double-O Martin acoustic. The man at the store traded me even and I left carrying the guitar in its case. I would play this guitar for the next couple of years or so“.1 Dylan hat sich wahrscheinlich inspiriert von seinem damals frisch gewählten Idol Woody Guthrie bei der Gitarrenauswahl inspirieren lassen, der eine ganz ähnliche Klampfe gespielt hat. Dylan hat die Martin 00-17 bis Früh im Jahr 1961 gespielt. Eingetauscht hat er sie damals für seine E-Gitarre, die er als Teenager für seine Rock’n’Roll-Band spielte, aber jetzt als Folkmusiker nicht mehr brauchte. Die Martin 00-17 hat es nie auf eine offizielle Aufnahme Bob Dylans geschafft. 1961 gab Dylan die Martin laut Dylanologe Eyolf Østrem an seinen damaligen Manager Kevin Krown, der sie mit seinem Tod 1992 an Peter MacKenzie, dem Sohn zweier alten Freunde Dylans, übergab. Der gab sie weiter an das Museum of Pop Culture in Seattle. Auf der Museumswebseite konnte ich die Gitarre allerdings nicht finden.

Gibson J-50:

Ab 1961 war für Bob Dylan die Martin 00-17 nicht mehr genug. Seine neue Wahl fiel auf eine Gibson J-50, quasi eine Spielart der ikonischen Gibson J-50, die er teilweise bis heute noch auf Bühnen spielt. Die J-50 war als etwas kleinere Dreadnought eine vielseitige Gitarre, die als klassische Singer-Songwriter Gitarre fungieren konnte. Picking und anderes war so oder so nicht stark präsent bei Dylan und ein gutes Cowbow-strumming konnte die J-50 ausgezeichnet. Bob Dylan spielte sie die frühen 60er über, von den Konzerten in der Town Hall und Carnegie Hall 1963 bis zum March on Washington im Sommer 1963. Es ist die erste Gitarre die auf Dylan-Aufnahmen zu hören ist. Dem Design nach, sollte sie aus den späten 40ern stammen. Vom Debütalbum bis zum Freewheelin‘ ist sie auf seine LPs zu hören. John Hammond Jr. sagte in einem Interview mit dem Telegraph zur Gitarre: sie wäre „… beat up but real neat … it was a great guitar.“ Eine schöne Fichtendecke war bei solchen alten Gitarren selten, ab dem 2. Weltkrieg wurde da viel dick lackiert. 1963 verschwand die J-50 aus ungeklärten Gründen und Dylan musste sich ein neues Werkzeug suchen.

Gibson Nick Lucas Special:

1925 brachte Gibson sein erstes Signature-Modell heraus: der Gitarrist Nick Lucas war ein charmanter Italo-Amerikaner der in den 20er Jahren eine Art Proto-Jazzgitarre spielte und von Liebesballaden, über Novelty-Songs zu fetzigen Ragtime-Nummern ein breites Repertoire spielte. Gibson wollte ihn damals von seiner Gitarrenmarke abbringen und stellte nach seinen Maßstäben eine Gitarre her. Die Gitarre für Lucas war schlussendlich eine small body Gitarre, die aber einen ziemlich tiefen Korpus hat. Perfekt für komplexe Fingerstyle-Läufe, bei denen man trotzdem den nötigen Wumms nicht verlieren will. Ab Herbst 1963 sieht man Dylan auf der Bühne mit dieser Gitarre. Bob Dylan hat sie vom Gitarrenhändler Marc Silber in seinem Musikalienhandel Fretted Instruments in New York gekauft. Die Nick Lucas Special gehörte wohl vorher Silbers Schwester und war mit Dylan und seiner Gitarrenauswahl schon vertraut. Er hat später zu seinen Gitarrengeschäften mit Dylan gesagt: „ I didn’t really see him too much after that, although I sold him a couple of guitars along the way during the ’60s. That 1930s Gibson Nick Lucas Special he played in ‚Don’t Look Back‘ had belonged to my sister. It was in mint condition when I sold it to him, but it got a little wrecked. He had that guitar for a long time. Later, probably in the early ’70s, I drove up to Woodstock to sell him a really nice late-’60s Martin. He was a tough guy to do business with, though, because he didn’t have any idea what the guitars were worth.“2 Die Nick Lucas Special mit ihrem mittigen und trotzdem vollem Klang passte wahrscheinlich gut zu Bob Dylans Spielweise als Mischform aus Strumming und einfachem Flatpicking zur Gesangsbegleitung. Er spielt sie bis zur Welttournee 1966 und sollte somit eine seiner langlebigsten Gitarren der 60er Jahre werden und wichtige Einspielungen wie Desolation Row und That’s Allright Ma I’m Only Bleeding wurden auf dieser Gitarre gespielt. Nun hat sie 1966 auf der Australien-Tournee den Flug nach Melbourne nicht überstanden. Bob Dylan hat sie quasi selbst geschrottet, indem er seine Mundharmonikas im selben Koffer aufbewahrt hat und die haben der Gitarre im Frachtraum des Fliegers im Frühling 1966 dann das Holz durchgedrückt. Die Gitarre wurde in Australien dann aber repariert, sodass sie ab seinen Konzerten in Europa wieder genutzt werden konnte.

Mal hier und da benutzt:

Stella Harmony:

Eine ganz altbackene Schlaggitarre mit Violinsaitenaufhängung. Die spielte er mit seiner Rock’n’Roll-Band Golden Chords im Jahr 1958.

Martin D-28:

Die tauchte in den frühen 60ern im Gaslight und Newport 1963 in Bob Dylans Händen auf Fotos auf. Aber auch beim Festival auf der Isle of Wight 1969 und beim Concert for Bangaldesh 1971 sieht man Dylan mit diesem Modell. Die D-28 der frühen 60er hat er bei manchen Sessions und Konzerten wohl nur geliehen. Ab dem Ende der 60er und zur Rolling Thunder Review Mitte der 70er hat er aber gern weiter eine eigene D-28 gespielt.

Eine Gretsch Rancher spielte Dylan in den sehr frühen 60ern. Die Gitarre hat dunkelrotes Holz, ein dreieckiges Schalloch und sieht sehr nach Rockabilly aus. Aber wahrscheinlich war das von Dylan nur ein kleiner Ausflug ins Land der Exoten.

Washburn 5250:

Beim Newport Folk Festival 1963 spielt er diese Washburn als ganz altbackene Gitarre auf der Veranda beim Nachmittags-Workshop. Hier hört man ihn auch den North Country Blues spielen und die Gitarre hebt mit ihrem knarzigen Klang die trostlose Stimmung des Songs perfekt hervor. Das ist aber das einzige Mal, dass man ihn mit dieser Gitarre sieht. Sie hat eine freischwebende Violin-Saitenaufhängung und sieht recht archaisch aus.

Gibson J-200:

Auf einem Foto vom 26.8.1962 zur Hochzeit seiner Freunde Gil Turner and Lori Singer sieht man Bob Dylan mit einer der berühmtesten Jumbo-Gitarren: der Gibson J-200. Die hat er sich bestimmt spontan von Reverend Gary Davies geliehen, der als Gast auf der Hochzeit anwesend war. Die J-200 war eine beliebte Gitarre bei den Folkies, besonders wenn es ums Fingerpickng geht. Dave van Ronk hat in den frühen 60ern, inspiriert von Davis, ebenfalls eine J-200 gespielt. Auf dem Newport Folk Festival 1964 sieht man Dylan mit einer J-200 und 1965, einen Tag von elektrischem Auftritt, spielt er eine mit dekorativem doppeltem Pickguard. Ob es die Gitarre ist, die ihm Johnny Cash 1964 auf dem Festival als Respektbezeugung überreicht hat, weiß man nicht so richtig. Die vom Cover von Nashville Skyline hat er wohl von George Harrison Ende der 60er geschenkt bekommen. Auf jeden Fall hatte Dylan immer mal wieder Interesse am Klassiker, der J-200 von Gibson.

Gibson J-45:

Fotos von Newport 1964 und Newport 1963 zeigen Bob Dylan hin und wieder mit einer Gibson J-45 bei den Workshops am Nachmittag. Die J-45 sollte später ab den 90ern zu einer seiner meistgenutzten Gitarren werden. Wo die J-45 auf den Newport Folk Festivals herkam, ist nicht ganz klar. Im Prinzip ist sie aber nur eine Variante seiner geliebten J-50.

Martin 0-45/42:

Die Martin 0-45 ist eine Gitarre mit kleinerem Korpus, eigentlich perfekt für folkige Musik und etwas Flatpicking. Bob Dylan ist auf bekannten Aufnahmen mit dieser Klampfe zu sehen: Das Newport Folk Festival 1964 bestand neben den Hauptacts abends noch aus kleineren Bühnen auf denen Performer ihre Titel präsentieren konnten. Bob Dylan spielte hier am Sonntag den 26. Juli einen Workshop bestehend aus All I Really Want to Do, To Ramona und die legendäre Aufnahme von Mr. Tambourine Man. Auf einem Foto am vorhergehenden Freitag kann man ihn ebenfalls mit dieser Gitarre sehen. Wo hat er das Ding her? Höchstwahrscheinlich geborgt von Joan Baez. Ihre Martin 0-45 (Baujahr 1929) hat sie 1962 für 200$ gekauft. Wahrscheinlich hat Dylan die sich von Baez geliehen weil sie seiner damaligen Nick Lucas Special so ähnlich war. Ob es eine Martin 0-45 oder 00-42 war, ist nicht ganz klar.

Gibson SJ Southern Jumbo Flattop:

Eine richtig bombastische Dreadnought von Gibson mit dickem dunklen Lack spielt Bob Dylan nach dem berüchtigten elektrischen Set am Abend im Juni 1965 auf dem Newport Folk Festival. Mr. Tambourine Man und It’s All Over Now Baby Blue erklangen im satten Ton über die abendlichen Festivalwiesen. Gespielt mit der Southern Jumbo von Gibson. Geborgt hat Bob Dylan sich diese Gitarre allerdings spontan von Peter Yarrow von Peter, Paul & Mary, der die Ansagen an diesem Abend machte.

Fender Kingman:

1966 wurde Bob Dylan mit einer Fender Kingsman gesehen, zwar nie auf der Bühne aber Backstage beim Jam. Die Kingman ist eine ganz besondere Gitarre: der Körper ist eine Dreadnought, der Hals und die Kopfplatte ist der einer Fender E-Gitarre. Die Kingman hat Dylan sich da wahrscheinlich ganz neu geholt, 1966 kam sie erst auf den Markt. Fender hat sich hier von einer deutschen Gitarrenbau-Legende beraten lassen: Roger Rossmeisl hat bereits in den 40ern für Coco Schumann Schlaggitarren und E-Gitarren gebaut, war in Mittenwald im tiefsten Südbayern ausgebildet worden. Der unkonventionelle Gitarrenbauer schraubte einfach einen E-Gitarrenhals an den Korpus einer Akustikgitarre. Der Hals wurde so schmaler und besser greifbar. Der Sound war allerdings etwas dünn, so konnte sich das Modell nicht ganz durchsetzen.3 Doch Elvis Presley spielte sie in einem Film von 1967 und Johnny Cash war der Kingman ebenfalls Ende der 60er nicht abgeneigt. Da hat Bob Dylan wieder mal ein gutes Näschen für exotische Erfolgsmodelle bewiesen.

Was schließt sich aus den Gitarren Bob Dylans bis 1966?

Bob Dylan schwankt wirklich bis 1965 im Grunde nur zwischen Martin und Gibson hin und her. Später sollten noch einige Exoten, wie Larson dazukommen, aber nur sehr selten und eher für Fotoshoots als für die Bühne oder das Studio. Fest steht: eigentlich bleibt es bis heute bei Martin oder Gibson für Bob Dylan. Bei anderen Musikern wie Paul Simon und Dave van Ronk sieht das schon anders aus: die benutzen z.B. auch oft jahrelang eine Guild mit ihren feinen Höhen und akzentuierten Bässen. Wahrscheinlich weil Dylan kein so wunderbarer Fingerpicker war, blieb ihm der Griff zum Klassiker Martin und Gibson recht lange erhalten. Der Sound bei solchen dynamischen Spielarten im Detail war bei Bob Dylan nicht so im Fokus wie bei den anderen, technisch vielleicht eher gewiefteren Instrumentalisten seiner Generation. Dylan war einfach kein Gitarrenvirtuose.

Er hatte von seinem ersten Album bis zum Durchbruch seiner Rock-inspirierten Alben 1965 eigentlich nur zwei Hauptgitarren. Die Gibson J-50 und die Gibson Nick Lucas Special. Nachdem die eine verschwunden ist, hat er sich die nächste gekauft und die nur aufgegeben als die auch nicht mehr spielbar war. Ganz einfach. Den Rest hat er sich geliehen oder eher selten aus dem Schrank geholt. Diese Fixierung auf eine Hauptgitarre endete für ihn allerdings in den späten 60ern, als er keine festen Touren mehr spielte. Alles irgendwie viel weniger Gitrarren-nerdig, als man es von einem der wichtigsten Folkmusiker des 20. Jahrhunderts erwarten würde. Außerdem sieht man hier, was für eine kurze Halbwertszeit Gitarren in einem aktiven Musikerleben manchmal haben. Es gibt bis heute Horrorgeschichten über falsch transportierte, verschwundene oder gestohlene Musikinstrumente auf Touren.

Vor allen Dingen hat Bob Dylan sich sehr gerne Gitarren spontan geliehen. Gerade was für Klampfen auf den Newport Folk Festivals da von einer Hand in die andere gingen, kann man durch diese Liste nur erahnen. Eine Praxis die heute bei den Konzerten der Weltstars wohl eher seltener praktiziert wird und absolut für eine gewissen Spontanität und den DIY-Charakter der Folk-Musik der 50er und 60er Jahre spricht .

1 Dylan, Bob: Chronicles Vol. I, Simon & Schuster, 2004, S.237.

2 https://bobdylansgear.blogspot.com/2011/01/gibson-nick-lucas-special.html

3 https://www.gitarrenmensch.de/2021/03/11/fender-kingman-die-gitarre-f%C3%BCr-den-king/

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